Die Menschenrechte werden von Frontex so schwerwiegend und in grosser Zahl verletzt, dass der neue Kredit vom Volk nach Ansicht von Beat Allenbach nicht bewilligt werden sollte.
Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger müssen am 15. Mai an der Urne über die massive Erhöhung des Kredits zugunsten der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) entscheiden. Im Rahmen der Schengen-Abkommen werden die Aussengrenzen (Land und See) von Frontex-Beamten in Zusammenarbeit mit den nationalen Grenzschutzkorps kontrolliert.
Das Recht, ein Asylgesuch zu stellen
Auch in Europa besteht das Recht, ein Asylgesuch zu stellen. Es gibt hingegen keinen Anspruch darauf, Asyl zu erhalten. Über diesen Unterschied ist im Hinblick auf die nächste Volksabstimmung eine heftige Auseinandersetzung entbrannt. Frontex und die Grenzwächter verschiedener Schengen-Staaten verletzen in ihrem Übereifer, ihre Grenzen vor Menschen auf der Flucht zu schützen, immer wieder deren Recht, ein Gesuch auf Asyl zu stellen.
Die Liste der Verfehlungen der europäischen Grenzschutzbehörde ist lang. Im Bundesbüchlein schreibt der Bundesrat trotzdem von «angeblichen Menschenrechtsverletzungen durch Frontex». «Angeblich» sind die Menschenrechtsverletzungen jedoch nicht, wie zahlreiche internationale journalistische Recherchen, auch von Schweizer Journalistinnen und Journalisten, aufzeigen. Danach haben z. B. griechische Grenzschützer im stillen Einverständnis mit Frontex vielen Hunderten Menschen auf der Flucht den Eintritt auf griechischen Boden verwehrt oder sie haben die Flüchtenden gewaltsam zurück auf prekäre Boote gebracht, um sie in türkische Gewässer zu bringen.
Solche «Pushbacks» wurden auch an der kroatisch-bosnischen Grenze dokumentiert, wo Grenzwächter flüchtende Menschen mit brutaler Gewalt nach Bosnien zurückdrängten. Diese Ereignisse wurden oft in gefälschter Form als «Verhinderung der Ausreise» registriert. Hunderte Menschen, möglicherweise Tausende, wurden auf solche illegale Weise daran gehindert, ein Asylgesuch stellen, obschon dieses Recht von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert wird.
Schwere Vorwürfe gegen Frontex und seinen Direktor
Der Bericht der Kontrolleure des Europäischen Parlaments – er wurde Ende April veröffentlicht –, enthält ebenfalls schwere Vorwürfe an die Frontex-Behörden. Viele Hinweise von schweren Menschenrechtsverletzungen seien nicht weitergeleitet und schlicht ignoriert worden. Verantwortlich dafür sei der Direktor von Frontex, Fabrice Leggeri. Es handelt sich um eine umstrittene Person, die stets die Klagen zurückgewiesen hat. Bis vor kurzem hat die Europäische Kommission ihn unterstützt, doch die Beweise für schwere Verfehlungen von Frontex sind inzwischen so erdrückend geworden, dass Direktor Leggeri letzthin sich bereit zeigte, sich zurückzuziehen.
Ein zweiter Versuch
Es gibt deshalb gute Gründe, Nein zu sagen zum Kredit für Frontex. Ich bin nicht prinzipiell gegen Frontex, aber die Schweizerinnen und Schweizer haben nun Gelegenheit, ein klares Zeichen zu setzen, dass Frontex die Menschenrechte respektieren muss. Diese europäischen Grundwerte hochzuhalten, ist heute besonders wichtig, da sie von Grossmächten brutal missachtet werden. Das bedeutet nicht ein Abschied der Schweiz von Frontex. Der Bundesrat kann einen neuen Kredit beantragen mit der Zusicherung, dass er in Zusammenarbeit mit dem Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge weiteren Menschen im Rahmen von Resettlement-Programmen Schutz bieten werde.