Für die Gestaltung unserer gesunden, d. h. verzichtenden Lebensweise soll die Bundesverfassung zur Bibel aufgewertet werden. Nach der Lungenliga schicken sich Bauern, Grüne, Jungsozialisten und Veganer mit politischen Initiativen an, uns das körperliche und seelische Gleichgewicht als Bürgerpflicht einzubleuen. Hält der gesundheitspädagogische Furor an, werden Wahlen in Bälde aufgrund von Ernährungsprogrammen entschieden.
In den ersten hundert Jahren des modernen Bundesstaates gab es in Sachen Nahrungs- und Genussmitteln drei Volksinitiativen, seither weitere fünfzehn. Die wachsende betreuerische Hinwendung zum Einzelnen ist die hilflose Abwendung von Problemen, deren Ausmass und Komplexität anstrengend intelligente Lösungen erfordern würden. Die Putzwut in der kleinen Welt unserer Lebensgewohnheiten ersetzt die Entschlossenheit, die in der grossen Welt vonnöten wäre. Interessengruppen marschieren zwecks Machtausübung als Ethikpolizei an die Front.
Noch ist der Durchbruch nicht geschafft. Die Bürgerinnen und Bürger wollen nicht nur an der Urne mündig sein, sondern auch hinter ihrem Essteller und Trinkglas, und lehnten dreizehn der achtzehn gut gemeinten Initiativen ab. Davon lassen sich die Heilsversprecher den politischen Hunger und Durst nicht verderben. Sie beissen sich durch zum Ziel der zwangsvollstreckten Volks-Gesundheit.