Werbung im Wahlkampf gaukelt uns Information und freie Wahlmöglichkeiten vor. Dabei gefährdet sie die Demokratie.
Journal21.ch will die Jungen vermehrt zu Wort kommen lassen. In der Rubrik „Jugend schreibt“ nehmen Schülerinnen und Schüler des Zürcher Realgymnasiums Rämibühl regelmässig Stellung zu aktuellen Themen.
Cyrill Dankwardt ist 17 Jahre alt und lebt in Zürich. Er besucht die fünfte Klasse des Realgymnasiums Rämibühl und interessiert sich unter anderem für Geschichte und Politik.
***
Jetzt reicht’s aber: Wahljahr 2019 und es wurmt gewaltig in der Schweizer Politik. Werbung in den Bahnhöfen, in der Innenstadt, in den sozialen Netzwerken – überall wird gekleistert und geklebt, getweetet und gepostet. Und entsprechend geblecht.
Schimpfen, grölen, intrigieren – für die nötige Aufmerksamkeit geben manche Parteien fast alles. Seien es Plakate mit fragwürdigen Motiven oder perfid arrangierte Internetinserate. Den resultierenden Hass und die Kritik nehmen sie selbstverständlich in Kauf, die Diskussion in den Schlagzeilen kommt ihnen zugute. Die Provokation ist Programm, selten mit mehr, meistens mit weniger Inhalt. Populismus ist erwünscht und der Gegner wird zum Feind. Werbung, solange die Kohle reicht, lautet die Devise: Wähler ködern, Stimmen haschen, Macht erlangen.
Doch beginnen wir von vorne. Damit die Wahlen auch ein korrektes Bild der Bevölkerung abgeben, muss diese entsprechend informiert sein. Denn nur wer weiss, was er wählt, wählt richtig. Und nur wer weiss, wen es zu wählen gibt, hat überhaupt eine Wahl. Und so nimmt der Kleinkrieg seinen Lauf, denn die Informierung liegt auch in der Hand der Parteien. Und jede Partei möchte ihre eigenen Parolen in die Welt tragen, je weiter desto besser.
Aber das Wahlkampfgebrüll spielt nicht nur in Bezug auf die Mobilisierung der eigenen oder neuen Wählerschaft eine Rolle, es fixiert auch die thematischen Eckpunkte der kommenden Legislatur. Die provokative Spalterei wird dabei zum Gespenst im Parlamentssaal und folglich weiten sich die Gräben zwischen den Fraktionen. Was das für eine Kompromissdemokratie bedeutet, darf sich jeder selbst ausmalen.
Die Tragweite und Lautstärke der Kampagnen kennen nur eine Hürde, die der Ressourcen. Das volle Potenzial kann nur ausgeschöpft werden, wenn ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Weder die Parteien noch die Kandidierenden können sich jedoch einen Wahlkampf vollständig aus eigener Tasche leisten.
Aber in welches Portemonnaie wird schlussendlich so tief gegriffen, dass die Rechnung aufgeht? Einerseits in das der Mandatsträger und Mitglieder aus den eigenen Reihen, andererseits in das von Privatleuten, Firmen und Verbänden mit Partikularinteressen, die ihrer Stimme auf diesem Weg Zusatzgewicht verleihen. Ein Blick in die Statistik belegt das resultierende Ungleichgewicht: Gerade die SVP, FDP und CVP verfügen über einen dicken Geldbeutel. Auch die Politik ist zur Ware geworden.
Korruption muss bei Parteispenden, auch bei den undurchsichtigen, nicht im Spiel sein – demokratisch vertretbar sind sie trotzdem nicht. Geschweige denn gerecht. Das Geld lässt die Interessen im Wahlkampf unweigerlich auf die Seite des Kapitals kippen, weg von der des Staates. Dabei liegt der ganze Sinn der Wahlen in dessen Stärkung. Dem ist nicht länger so.
Es ist wie bei Schneewittchen: Die eine Seite der Werbung mag uns sinnvoll erscheinen, die andere aber bleibt uns im Halse stecken, vergiftet unser politisches Klima und fördert Partikularinteressen. Im Apfel wühlt der Wurm – und er lockt mit falschen Früchen.
***
Verantwortlich für die Betreuung der jungen Journalistinnen und Journalisten von „Jugend schreibt“ ist der Deutsch- und Englischlehrer Remo Federer ([email protected]).
Weitere Informationen zum Zürcher Realgymnasium Rämibühl unter www.rgzh.ch