Gehen wir davon aus, dass die Analyse richtig ist. Wir haben also die im Wirtschaftsleben nicht gerade ungewöhnliche Situation, dass ein bewährtes und ertragreiches Geschäftsmodell obsolet geworden ist. Zudem sind noch Restanzen aus der Vergangenheit zu erledigen. Also braucht es zwei Strategien. Eine zur Vergangenheitsbewältigung, eine zur Gestaltung der Zukunft. Ist ja wirklich keine Atomphysik.
Die Vergangenheit
Unbestreitbar liess und lässt sich das Schweizer Bankkundengeheimnis als profitträchtiger Schutz bei der Beilhilfe zu Steuerhinterziehung verwenden. Nachdem es durch die Schweizer Regierung und die UBS geschleift wurde, muss hinterzogenes Steuersubstrat zehn Jahre zurück ausgeliefert werden. Die Verantwortung dafür obliegt natürlich dem Steuerhinterzieher, nicht dem Helfer. Rechtsimperialistische Forderungen nach Multimilliardenbussen für den Helfer müssten von der Schweizer Regierung zurückgewiesen werden. Dann verhandelt man und legt einen Betrag auf den Tisch, der irgendwo in der Mitte zwischen Maximalforderungen und Minimalangeboten liegt. Da es nur ganz wenige Schweizer Banken gibt, die nicht mindestens ein Dutzend oder mehr ausländische Steuerhinterzieher beherbergt haben, liesse sich da eigentlich problemlos ein Verteilungsschlüssel errechnen. Geht sogar mit einer Excel-Tabelle.
Die Gegenwart
Es sollten ja noch genügend geistige Kapazitäten vorhanden sein, neben der Vergangenheitsbewältigung einen Kassensturz in der Gegenwart zu machen. Die erste Frage, die man sich da stellen muss, lautet: Was ist die USP, das Alleinstellungsmerkmal Schweizer Finanzdienstleister? Was machen nicht alle anderen auch, manchmal besser, meistens nicht schlechter? Damit stossen wir auf Faktoren, die nicht in erster Linie innerhalb der Finanzwelt liegen. Nämlich Stabilität, Rechtssicherheit, Neutralität, partizipative Demokratie, funktionierende Infrastruktur, langfristige Sicherheit, gespeist aus langer Tradition werden immer wichtiger in der heutigen Welt. Oder ganz einfach: Wer ein Vermögen weder mit kurzfristiger Gewinnabsicht noch in erster Linie mit der Absicht, staatliche Abgaben so weit wie möglich zu vermeiden, anlegen will, hat keine Alternative zur Schweiz.
Die Zukunft
Wenn Extraprofite wegfallen und ein Vermögensverwalter mangelnde Fachkenntnis nicht länger durch Reputationsmanagement, teures Bewirten, Einladungen und idiotische Geschenke ersetzen kann, dann muss er halt wieder zu seinem angestammten Beruf als Staubsaugervertreter oder Autohändler zurückkehren. Wenn Analystenheere trotz Superalgorithmen und mathematischen Zauberformeln immer wieder daran scheitern, eine zutreffende Aussage über die zukünftig Entwicklung einer Aktie, eines Fonds, eines Marktes zu machen, dann kann man sie problemlos einsparen. Wenn Retrozessionen, Kick-backs, Churning und jede Form von Extrakommissionen keine Quelle von Zusatzprofiten mehr darstellen, dann reichen auch ein bescheidener Schreibtisch, zwei Stühle und ein Computer zur Kundenbetreuung. Und dann gibt es noch einen weiteren wichtigen Faktor.
Die Industrialisierung des Banking
95 Prozent aller Bankgeschäfte lassen sich schon längst automatisiert abwickeln. Konto- und Börsengeschäfte, ganze Vermögensanlagen brauchen keine «massgeschneiderten» Lösungen mehr. Das ist wie bei einem Anzug. Natürlich ist ein Massschneider in der Savile Row in London eine feine Sache. Auch ein gut sitzender Brioni hat seinen Charme. Aber selbst ein Anzug von H&M unterscheidet sich oft nur für den Kenner davon. Wer Luxus, persönliche Dienstbarkeit braucht (und zahlt), wohlan. Da aber nicht mal gemanagte Fonds in den letzten zwanzig Jahren einen passiven Fonds in der Performance geschlagen haben, ist das alles doch offensichtlich völlig überflüssig.
Die Zusammenfassung
Schmerzliches Abschmelzen von viel Fett, Industrialisierung der Bankgeschäfte und Besinnung auf die USP des Schweizer Banking, natürlich auch unter Verzicht auf grössenwahnsinnige Beteiligung an globalen Finanztransaktionen und Verabschiedung vom Investmentbanking, das ja in der Summe nur Milliardenverluste eingefahren hat (ausser für die Investmentbanker): eigentlich ist es doch trivial. Jeder Dummkopf müsste das einsehen. Nun ist es aber menschlich verständlich, dass die dünne Schicht von vielleicht 5’000 Bankern in der Schweiz, die zwar mit dem Festhalten an überkommenen Geschäftsmodellen den Bankenplatz gegen die Wand fahren, aber aus persönlichem Profitinteresse und aus Unfähigkeit, über den Rand ihrer goldenen Schüssel hinauszudenken, sich mit Händen und Füssen dagegen wehren.
Wer kann eingreifen?
Privatjet, heute New York, morgen Shanghai, übermorgen London. Gepanzerte Limousine, Executive Suite, dienstbare Geister. Wichtigkeit, Bedeutsamkeit, Chefentscheid. Chefbüro, eigener Lift und vergoldete Wasserhähne auf dem Klo. So banal funktioniert halt der Mensch. Durchdrungen vom süssen Gift der vermeintlichen Macht und dem Glauben, einer der unabkömmlichen Big Boys zu sein. Freiwillig werden die nicht loslassen. Aber da sind die Schweizer doch schon mit ganz anderen Vögten fertiggeworden.