Einzelne Banken beginnen damit, das jüngste Bundesgerichtsurteil umzusetzen und zahlen Anlegern rechtswidrig zurückbehaltene Retrozessionen, Kick-backs, Kommissionen und andere Formen der üblichen Bereicherung auf Kosten der Kunden zurück. Credit Suisse und UBS sehen sich Schadenersatzforderungen aus der Finanzkrise 1 in Milliardenhöhe ausgesetzt. Die von der Lagerung von Schwarzgeld zu erwarteten Bussenzahlungen weltweit türmen sich zu einer zweistelligen Milliardensumme. Der Irrweg Investmentbanking hat Milliardenverluste ausgelöst. Düstere Zeiten.
Und im Inland
Unsere beiden Grossbanken sind keine Schweizer Firmen mehr, ihre Reputation als traditionelle guteidgenössische Adressen haben sie längst verspielt. Einige grössenwahnsinnig gewordene Kantonal- und Privatbanken sind ihrem Irrweg gefolgt. Und alle in der Schweiz tätigen Banken sitzen auf einer Immobilienblase. Die hat zwar keine Dimensionen wie in den USA oder in Spanien. Aber viel zu billiges Geld, risikohafte Belehnung von zu hoch bewerteten Häusern und Wohnungen mit viel zu wenig Eigenkapital der Käufer, das nur schon bei einer Delle in der Preisentwicklung als Puffer dienen könnte: Alle klassischen Voraussetzungen für das Platzen einer Blase sind vorhanden.
Paradigmenwechsel
Fügen wir noch als Salz in der Suppe die gelinde gesagt trüben Aussichten der Weltwirtschaft hinzu. Dann haben wir, gerade für Schweizer Finanzdienstleister, alle Voraussetzungen für einen perfekten Sturm. Das hätte ein Thema am WEF in Davos sein können. War es natürlich nicht. Was wir hier haben, ist eine Situation, in der es dringend eine Analyse, einen Kassensturz, eine Auslegeordnung der Probleme bräuchte. Denn wir haben es mit einem Paradigmenwechsel zu tun. Einer Situation, in der das Geschäftsmodell «Swiss Banking» völlig neu angedacht werden müsste. Wie zu Zeiten der Industriellen Revolution erleben wir, dass im ganzen Bankensektor kein Stein auf dem anderen bleiben wird. Und was wird da so gedacht, analysiert, was wird an neuen Strategien entwickelt?
Das blanke Nichts
Es müssten ja keine genialen Ideen sein. Keine visionären Würfe. Keine wissenschaftlich fundierten Strategien mit Problembeschreibung, richtiger Analyse und logisch abgeleiteter Lösung. Ein nennenswerter Satz, wir sind ja bescheiden, eine vage und umrissartige Antwort auf eine banale Frage würde uns schon genügen: Wie sieht der Banken- und Finanzplatz Schweiz in zehn Jahren, in zwanzig Jahren aus? Was wäre das Ziel, welche Wege sind gangbar, um dorthin zukommen? «Avenir Suisse», «Economiesuisse», die Schweizerische Bankiervereinigung. Die HSG, Think Tanks, Strategic Committees. Computermodelle, gekaufte Denkkraft von Wissenschaftlern und Spezialisten. Wer an die Kernschmelze von Supercomputern gehende Derivategebastel mit ellenlangen Algorithmen und 300-seitigen Prospekten herstellen kann, sollte doch auch in der Lage sein, eine fundamentale Frage zur Geschäftsgrundlage zu beantworten. Oder nicht?
Die Dummheit der Maschine
Bankenlenker, nicht nur in der Schweiz, sind in ihrem innersten Wesen kleine Angestellte mit Lohnausweis und dem kurzfristigen Gewinn nachhechelnde Manager. Keine Unternehmer, keine Verantwortungsträger. Verwaltungsräte, die für die strategische Ausrichtung und klare Vorgaben zuständig wären, sind grösstenteils überforderte Verwalter, die schon froh sind, wenn sie gelegentlich mal ein Wort vom Fachchinesisch verstehen, mit denen sie der CEO oder die Geschäftsleitung ihrer Bank zuschütten. Manchmal, in dunkler Nacht, schleicht sich zwar der Gedanke an: Irgendwie läuft hier ganz grundlegend was falsch, und das wird wohl übel enden. Aber der verflüchtigt sich dann im Tagesgeschäft, im Jetlag der globalisierten Finanzströme. In Wichtigkeit, Überforderung, in endlosen Excel-Tabellen, Executive Summaries. Immer überzeugend, immer fein geschnitzt. Aber ach, wer hat denn die Zeit, im Hamsterrad der Maschine das alles verstehen zu wollen?
Die Negativbilanz
Was ist sonnenklar? Das Geschäftsmodell Schwarzgeldbunker ist am Ende. Das Geschäftsmodell Investmentbanking ist am Ende. Das Geschäftsmodell Global Player ist am Ende. Das Geschäftsmodell integrierte Universalbank ist am Ende. Selbst das Geschäftsmodell kurz-lang im Hypothekenmarkt ist am Ende. Wenn wir nicht an den Weltuntergang glauben, liegt im Ende auch immer ein Anfang. Etwas Neues, etwas Zukunftsfähiges. Eine radikale Neuorientierung. Wie sie jede Schweizer KMU immer wieder umsetzen muss, um auch in der zweiten oder dritten Generation zu überleben. Ohne Think Tanks und Beraterheere. Aber im Schweizer Banking? Da herrscht das gähnende Nichts. Sprachloses und wichtigtuerisches Gehampel.
Dabei lägen Lösungen auf der Hand
Man muss nicht mal ein Universalgenie sein, um auf die naheliegenden Lösungsvorschläge zu kommen. Sie liegen, betrachtet man die Tradition und Erfolgsfaktoren der Schweiz, auf der Hand. Die muss ich hier gar nicht auffächern. Jeder Leser, mit Einsatz von etwas gesundem Menschenverstand, kommt darauf. Ist gar nicht so schwer ...