Rating-Agenturen und ökonomische Koryphäen werfen der SNB vor, sie verschärfe mit ihrer Stützung der Untergrenze von Fr. 1.20 zum Euro die Krise in Europa, ihre Politik sei schlimmer als die der chinesischen Notenbank, ja die Schweiz sei «Weltmeister in der Währungsmanipulation». Ergänzt wird das durch die Forderung, die Schweiz müsse ihre Leistungsbilanz auf neutral stellen und ihre Exporte einbrechen lassen. So wie es in einer militärischen Auseinandersetzung nie einen Angreifer, sondern nur Verteidiger der eigenen Interessen gibt, wird auch in einem Wirtschaftskrieg gelogen, getäuscht und manipuliert.
Eigentlich lachhaft
Es ist beinahe müssig, die Absurdität dieser Vorwürfe darlegen zu müssen. Die Ursachen der Eurokrise existieren seit der Geburt dieser Fehlkonstruktion und haben mit der erst seit einem Jahr in Notwehr gegen einen überbewerteten Franken eingeführten Untergrenze nichts zu tun.
Im Gegensatz zu China hält die Schweiz ihre Währung nicht künstlich tief, sondern verhindert, dass ein zu starker Franken, gestützt durch gutes Wirtschaften, gegenüber einem schwächelnden Euro, verursacht durch verantwortungslose und falsche Politik, in den Himmel schiesst. Die Schweiz greift nicht an, sondern verteidigt sich. Ob die Politik der SNB dabei richtig und schlau ist, ist allerdings eine andere Frage.
Das Boot ist mal wieder voll
Die Schweiz profitiert nicht von der Eurokrise. Die Schweiz profitiert davon, dass sie dank Schuldenbremse, direkter Demokratie, einer dank KMU brummenden Wirtschaft, dank Weltklasse-Konzernen wie Nestlé und Pharma, dank funktionierender Infrastruktur und dank sozialem Frieden die Insel der Seligen im Meer des Desasters der Eurozone ist.
Statt darauf stolz zu sein, fühlen sich viele Eidgenossen schuldig. Ihnen wird, diesmal aber wirtschaftlich, wieder mal vorgeworfen, dass ihr Boot voll sei. Nicht in dem Sinn voll, dass um Leib und Leben fürchtende Flüchtlinge abgewiesen werden. Aber voll von Reichtümern, die die Geizgenossen doch frecherweise verteidigen wollen. Unverschämtheit.
Ein Trauerspiel
Die Stärke eines Kleinstaats, besonders in Zeiten von imperialistischen Wirtschaftskriegen, müsste in seiner Wehrhaftigkeit liegen. In der einfachen Position: «Die Antwort ist Nein. Was war schon wieder die Frage?» Stattdessen pervertieren sich guteidgenössische Verhaltensmuster.
«Hand bieten zum Kompromiss», «aufeinander zugehen», «nachverhandeln», «abwägen», gespeist aus einem absurden schlechten Gewissen, dass es ja schon irgendwie störend sei, dass in Europa Staaten an der Unfähigkeit der eigenen Regierungen und einer ausser Rand und Band geratenen Eurokratie verröcheln. Während die Schweiz intelligent genug war, sich dieser Apokalypse mit Ansage nicht anzuschliessen.
Reiner Neid
Die Schweiz ist ein schmutziger Hort für amoralische Steuerhinterzieher. Die Schweiz manipuliert Währungen, die Schweiz ist gar, pro Kopf gerechnet, Exportweltmeister. Die Schweiz hat Arbeitslosenzahlen, von denen die USA und Europa nur träumen können. Die Schweiz hat eine Staatsverschuldung, bei der in jedem ausländischen Finanzministerium die Champagnerkorken knallen würden.
Die Sozialsysteme der Schweiz haben zwar auch ihre Probleme, aber (noch) muss kein Rentner fürchten, dass er bei Erreichen der Altersgrenze bei der Suppenküche anstehen muss. Das ist, aus Schweizer Sicht, grossartig. Das ist, aus ausländischer Sicht, beneidenswert. Schlimmer: Das erweckt Neid. Das erweckt das Bedürfnis: Uns geht es schlecht, denen geht es gut. Also holen wir uns ein Stück von deren Reichtum.
Propagandagetöse
Niemals käme ein Staat auf die Idee, seine eigentlichen Absichten offen zu verkünden. Immer geht es um reine Selbstverteidigung, um die Wahrung der eigenen Interessen. Um die Abwehr von frechen Übergriffen eines ausländischen Aggressors. In diesem Fall der Schweiz. Die Schweiz entzieht anderen Staaten Steuersubstrat. Die Schweiz manipuliert ihre Währung. Die Schweiz exportiert zu viel. Die Schweiz muss für vergangene Untaten büssen.
In einem Satz: Die Schweiz muss zahlen. Warum? Wenn man das Propagandagetöse weglässt, aus einem einzigen Grund: Weil sie’s kann, weil sie’s hat. Weil’s die aus eigener Schuld verlumpten Staaten in Europa, und natürlich die USA, brauchen. Das hat nichts mit Gerechtigkeit oder Moral zu tun. Sondern nur mit nackter Geldgier.
Und keiner geht hin
Die Absurdität des aktuellen Wirtschaftskriegs gegen die Schweiz besteht darin, dass vor allem die Schweizer Regierung offenbar einen alten pazifistischen Slogan beherzigt: Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin. Allerdings in einer neuen Variante: Es ist Krieg, aber kein Schweizer geht hin. Pas d’argent, pas de Suisses, hiess es zu Reisläuferzeiten. Übersetzt auf moderne Zeiten könnte das heissen: Erst wenn sie kein Geld mehr haben, lässt man die Schweizer in Ruhe. Wahrlich ein drôle de guerre, um es französisch zu sagen.