Man muss es den SVP-Strategen lassen, mitunter gelingt ihnen ein Volltreffer. Zwar muss daran erinnert werden, dass bei weitem nicht alle von dieser Partei lancierten Initiativen erfolgreich sind – das Begehren um die Volkswahl des Bundesrates zum Beispiel war ein klarer Flop.
Ein Begriff, den der Duden nicht kennt
Aber die Abstimmung vom 9. Februar über die sogenannte Masseneinwanderung war (trotz der äusserst knappen Mehrheit) unbestreitbar ein spektakulärer politischer Erfolg – und den verdankt die Blocher-Partei zu einem wesentlichen Teil der cleveren Terminologie, die für diese Vorlage gewählt wurde.
Masseneinwanderung ist ein Begriff, den der Duden nicht kennt. Und doch trifft er fraglos einen Nerv in der Volksseele. Jeder spürt bei diesem Wort sofort, dass massenhafte Einwanderung von Ausländern in einem kleinen, bereits relativ dicht bevölkerten Land wie die Schweiz etwas Bedrohliches an sich haben könnte – eine Art Lawine, die auf uns zurollt. Der Begriff Masseneinwanderung hat im Bereich der Polit-Terminologie eine ähnlich magische Ausstrahlung wie das Wort „Abzockerinitiative“, über die vor einem Jahr abgestimmt wurde. Dieser Vergleich kann vielleicht am besten verdeutlichen, wie wichtig es ist, in der politischen Werbung die wirksamsten Begriffe zu besetzen.
Kein wirksamer Gegenbegriff
Die Dominanz der Wortschöpfung Masseneinwanderung während der Abstimmungsdebatte zeigte sich schon darin, dass auch die Gegner dieser Vorlage gezwungen waren, ständig diesen negativ besetzten Begriff zu verwenden. Dies, obschon sie den abschreckenden Terminus inhaltlich ablehnten, weil sie eine Einwanderung von rund 80.000 Personen jährlich – zu einem erheblichen Teil Spezialisten und gut situierte Familien – keineswegs als unerträgliche Belastung einstufen. Möglicherweise verdankte bei der Abstimmung am 9. Februar die SVP ihren knappen Sieg gerade dem Umstand, dass es dem gegnerischen Lager nicht gelang, dem bedrohlichen Wort Masseineinwanderung einen attraktiven Gegenbegriff entgegenzuhalten. Der Verweis auf die „Bilateralen“ (das heisst die Gefährdung der bilateralen Verträge mit der EU, die die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative zur Folge haben könnte) war wohl zu abstrakt, um die nötige Überzeugungskraft zu entwickeln.
Wetten, dass die Ecopop-Initiative, die viel radikalere Begrenzungen der Einwanderung in die Schweiz verlangt und über die voraussichtlich noch in diesem Jahr abgestimmt wird, vom Volk bachab geschickt wird. Schon deshalb, weil unter dem Titel Ecopop niemand spontan versteht, worum es eigentlich gehen soll.