Der Bundesrat unterbreitete dem Parlament am 4. März die Botschaft zur Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes aus dem Jahr 1952. Der Gesetzesentwurf enthält folgende Schwerpunkte: • Nur erfolgreich integrierte Ausländer und Ausländerinnen erhalten den Schweizer Pass; künftig ist das ohne Niederlassungsbewilligung nicht mehr möglich. Zudem müssen sich die Kandidaten u.a. in einer Landessprache ausdrücken können. Wer die strengeren Anforderungen erfüllt, d.h. wer sich rasch gut integriert hat, muss nicht mehr zwölf Jahre warten, bis er ein Einbürgerungsgesuch stellen darf, sondern wenigstens acht Jahre. • Die Aufenthaltsfristen bei Kantons- und Wohnortswechsel sind im ganzen Land zu vereinheitlichen und dürfen maximal drei Jahre betragen. Bisher mussten Einbürgerungswillige, die z.B. Kanton oder Gemeinde wechselten, aber schon viele Jahre in der Schweiz lebten, wieder lange warten, bis sie ein Gesuch stellten konnten. Weiter wird der Datenaustausch verbessert werden, damit z.B. Verfehlungen eines Einbürgerungskandidaten den Behörden nicht verborgen bleiben. Gleichzeitig wird das Verfahren vereinfacht und klarer geregelt.
Es handelt sich nicht um eine tiefgreifende Reform, doch die SVP schlägt Alarm und will die Verkürzung der Frist von bisher zwölf auf acht Jahre nicht akzeptieren. Sie ist offenbar nicht bereit, jenen Menschen entgegenzukommen, die sich rasch gut in unserem Land integriert haben. Auch freisinnigen Politikern, die sich beim Thema Ausländer stark der SVP angenähert haben, passt die kürzere Frist nicht.
Früher genügten zwei Jahre
Im 19. Jahrhundert war es kinderleicht, Schweizer Bürger zu werden. Erst dreissig Jahre nach Gründung des Bundesstaats verlangte der Bundesrat im Jahr 1876 eine Aufenthaltsdauer von zwei Jahren in der Schweiz, um das Schweizer Bürgerrecht erwerben zu können. Da der Anteil der ausländischen Bevölkerung vor dem 1. Weltkrieg 15% bereits überstieg, waren schon damals viele Menschen über die hohe Zahl Ausländer besorgt. Um die Überfremdung zu bekämpfen, wurde in jener Zeit die Zwangseinbürgerung vorgeschlagen. Die Idee wurde nicht umgesetzt, Politiker und Behörden gaben einer Gesetzesrevision den Vorzug, welche einbürgerungswillige Ausländer verpflichtete, innerhalb von zwölf Jahre sechs in der Schweiz zu verbringen. Kurz zuvor forderte eine Volksinitiative, ein Einbürgerungsgesuch dürfe erst nach einem Aufenthalt von zwölf Jahren in der Schweiz gestellt werden. Bundesrat und Parlament lehnten die Volksinitiative mit dem Hinweis ab, die Frist sei gerade auf sechs Jahre verlängert worden, und in der Volksabstimmung vom 11. Juni 1922 lehnten 84% der Stimmberechtigten die zusätzliche Erschwerung der Einbürgerung ab.
Gegenwärtig gibt es Politiker und Kommentatoren, die glauben, eine Verkürzung der Aufenthaltsfrist von 12 auf 8 Jahren würde die Revision in einer Volksabstimmung zu Fall bringen. Offensichtlich übersehen sie, dass gleichzeitig die Ansprüche an die Integration der Einbürgerungskandidaten erhöht werden, und zwar verbindlich und für die ganze Schweiz. Es gilt noch einen weiteren Aspekt zu beachten.
Jeder Fünfte ausgeschlossen: eine hinkende Demokratie
Heute besitzt jeder Fünfte Einwohner kein Stimmrecht. Wir sind also weit entfernt vom Idealbild einer Demokratie, in der sich alle nicht nur den Gesetzen unterzuordnen haben, sondern sie auch mitgestalten sollen. Sprechen heute nicht manche Schweizerinnen und Schweizern abschätzig vom Staat und stellen ihm die Zivilgesellschaft gegenüber, die besser geeignet sei, Probleme zu lösen? Doch zur Zivilgesellschaft – was immer sie genau bedeuten mag – gehören alle Einwohner, also auch Ausländerinnen und Ausländer, und zwar nicht nur als Passivmitglieder. Gerade die Beschwörer der Zivilgesellschaft wollen jedoch nichts wissen von einem Mitentscheidungsrecht des ausländischen Teils der Zivilgesellschaft. Weiter ist der besondere Respekt für Minderheiten ein Merkmal unseres Staatsverständnisses. Doch für die grosse Minderheit der Ausländer scheint das nicht zu gelten. Viele Ausländerinnen und Ausländer verrichten bei uns schwere, schmutzige, schlecht bezahlte, aber unentbehrliche Arbeiten, die kaum Sozialprestige verleihen. Sie alle sind von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen, was umso stossender ist, als sie einen grossen Teil der in der Schweiz Benachteiligten repräsentieren. Wir haben also eine hinkende Demokratie. Noch heute kann jedoch die Verknüpfung von Staatsbürgerschaft und Stimmrecht auf der Stufe Eidgenossenschaft einleuchtend begründet werden. Deshalb werden Ausländer das Wahl- und Stimmrecht auf Bundesebene auch künftig erst nach der Einbürgerung erhalten.
Die Einbürgerung bleibt deshalb das einzige Mittel, um den Anteil der nichtstimmberechtigten Bevölkerung etwas herabzusetzen. Wird das neue Bürgerrechtsgesetz dazu eine Chance bieten? Auf Anfrage schreibt der Rechtsdienst des Bundesamts für Migration: „Selbstverständlich ist es aber auch im Interesse der Schweiz, dass Personen, die schon lange in der Schweiz sind und sich hier bestens integriert haben, ihre politischen Rechte ausüben und die Zukunft der Schweiz mitgestalten können.“ Da das Einbürgerungsverfahren heute strenger ist als früher und nur jene eine Chance haben, die gut integriert sind, verdient das neue Bürgerrechtsgesetz eine gute Aufnahme von Parlament und Volk.