Wie immer gehen in der allgemeinen Kakophonie kleine, aber wichtige Nachrichten unter. Die aktuelle lautet: Sowohl die EZB wie auch diverse nationale Notenbanken tauschen ihre Griechenschuldpapiere zum Nominalwert gegen neue um. Es sei eine rein "technische" Operation, da sich ja die Notenbanken nicht an einem Schuldenschnitt beteiligen dürften. Denn das sei ja eine verbotene Staatsfinanzierung. In Wirklichkeit ist das natürlich ein Skandal, der im normalen Geschäftsleben als Gläubigerbevorzugung und Konkursverschleppung strafrechtlich geahndet würde.
Was hat die EZB davon?
Der technische Trick ist einfach. Griechenland soll alle Wertpapierkennnummern von staatlichen Schuldpapieren, die von Notenbanken gehalten werden, vom geplanten Forderungsverzicht ausschliessen. Und voilà, diese können dann im Verhältnis eins zu eins in neue Schuldpapiere umgewandelt werden. Nebenher macht die EZB noch einen hübschen Gewinn, weil sie ja die ursprünglichen Schuldpapiere grossteils nicht zum Nominalwert, sondern zum Marktwert aufgekauft hat, der ja teilweise bis auf 25 Prozent gesunken ist.
Das hört sich nach einem formaljuristisch legalen und erst noch profitablen Geschäft an. Ist aber in Wirklichkeit ein weiterer Sargnagel für den Euro, denn über die Klinge springt da mal wieder das wichtigste Element im Verhältnis zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner: das Vertrauen, der Grundsatz, dass Spielregeln bei einer Kreditvergabe nicht nachträglich geändert werden dürfen. Eingebrockt hat sich das die EZB mit ihrer eigentlich per Todesstrafe verbotenen Politik, als Zentralbank Staatsschuldpapiere aufzukaufen.
Ein kleines Beispiel
Wenn es sein kann, dass man nachträglich Kreditvergabebedingungen massiv abändern kann, dann gibt doch niemand mehr Geld, oder wenn, mit einem Risikoaufschlag, der sich gewaschen hat. Nehmen wir an, man bestellt (und bezahlt im Voraus!) einen Plasma-TV, Lieferfrist drei Monate. Als man ihn abholen will, steht ein alter Röhren-Fernseher auf der Rampe. Sorry, der Kaufvertrag wurde nachträglich und einseitig geändert, wenn das dem Käufer, bzw. Gläubiger nicht passt, dann gibt es halt gar nichts, und viel Spass beim Einreichen einer Klage. Genau das spielt sich auf höherer Ebene bei der EZB ab. Es wird interessant werden, ob die übrigen Gläubiger von Griechenschuldpapieren, die ja mehr oder weniger "freiwillig" auf bis zu 80 Prozent des geliehenen Geldes verzichten sollen, damit ohne Gegenwehr einverstanden sein werden. Ex-post-Klausel nennt der Jurist ein solches Gemauschel, während es ihn dabei schüttelt. Denn damit gehen Rechtssicherheit und Vertrauen, die beiden Grundlagen für sinnvolles Geschäften, flöten.
Bis zum bitteren Ende
Es ist ja inzwischen völlig unerheblich geworden, ob ein weiteres sogenanntes Rettungspaket bis Mitte März hingewürgt wird oder nicht. Dass es nicht nur sinnlos, sondern schädlich ist, hat Professor Hans-Werner Sinn in einem FAZ-Interview restlos klargestellt. Dem ist im Moment nichts hinzuzufügen.
Mit solchen Taschenspielertricks, wie sie gerade die EZB aufführt, bekommt die Tragödie allerdings, man hält es kaum für möglich, noch einen finsteren Dreh. Denn ganz unabhängig vom weiteren Schicksal Griechenlands sind alle Euro-Staaten darauf angewiesen, auch in Zukunft zu erträglichen Konditionen Geld geliehen zu bekommen. Wer dabei aber damit rechnen muss, mit üblen Tricks wie auf einem orientalischen Basar über den Löffel barbiert zu werden, verlangt schlicht und einfach einen Risikozuschlag.
Nicht mal ein Nullsummenspiel
Nun könnte man ja machiavellistisch argumentieren, dass die EZB mit diesem Untergriff wenigstens einen hübschen Gewinn von einigen Milliarden macht, wenn sie ihre rund 50 Milliarden in Griechenpapiere investierte Euro vor einem Schuldenschnitt in Sicherheit bringt. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis dieses Geld, angesichts der Unsicherheit, ob Kreditausfallversicherungen (CDS) überhaupt greifen und ob in Zukunft die Grundlage jedes Geldaustauschs, pacta sunt servanda, überhaupt noch gilt, für höhere Zinsen wieder ausgegeben ist. Inzwischen hat das ursprünglich überschaubare Problem Griechenland den Kern der Euro-Währung erreicht, und selbst ein Bankrott des Landes mitsamt der längst überfälligen Rückkehr zur Drachme lässt den Euro als Kernwährung solventer Staaten nicht mehr unbeschädigt.
Wer zahlt?
Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Geld kann zwar für nichts ausgegeben, aber nicht aus dem Nichts hergestellt werden. Heutige Schulden sind nur durch heutige Kreditgewährungen möglich. Selbst die Betätigung der Notenpresse beinhaltet, dass neu geschöpftes Geld irgendwann bezahlt werden muss. Entweder anständig durch eine entsprechende Wertschöpfung. Oder unanständig durch Inflation oder die Mitteilung an den Gläubiger: Sorry, dein geliehenes Geld ist futsch. Und die Gläubiger sind nicht die Politiker und auch nicht die EZB, sondern Sparer, Steuerzahler und Renteneinzahler. Wer denn sonst.