Bankgeheimnis, Kundenverrat, Mitarbeiterverrat. Ende des Bankgeheimnisses. Bereits die Drohung mit einer Klage in den USA kann den Ruin einer Schweizer Bank bedeuten, die sich an alle Schweizer Gesetze gehalten hat. Ende der Schweizer Rechtssouveränität. Notrecht, rückwirkende Gesetze, die Übertragung von staatlichen Kontrollpflichten ohne Anfangsverdacht, ohne Unschuldsvermutung an Finanzinstitute. Der Schweizer Rechtsstaat wankt.
Ist doch harmlos
Was soll denn jemand dagegen haben, der nichts zu verbergen hat, dass sämtliche Informationen über seine Kontobewegungen im Ausland seinem eigenen Steuer- und Rechtsstaat geliefert werden? Wenn er sein Vermögen nur deswegen einer Schweizer Bank zur Verwaltung übergeben hat, weil er es hierzulande sicherer lagern möchte, hat er doch vor einer automatischen Übermittlung aller Daten nichts zu befürchten.
Ausser eben, er hätte doch etwas zu verbergen, zum Beispiel nicht versteuerte Anlagen. Im Umkehrschluss wehren sich angeblich nur Kreise gegen den automatischen Informationsaustausch, die das Geschäftsmodell Beihilfe zur Steuerhinterziehung fortsetzen wollen.
Fluchtgelder
Ein Mensch, und der definiert sich heutzutage ja in erster Linie als Steuerzahler, kann sich an Leib und Leben bedroht fühlen. Dann flüchtet er und wird zum Asylanten. Ein Mensch kann sein Eigentum bedroht sehen, dann wird er zum – Steuerflüchtling? Sein Vermögen wird automatisch beim Grenzübertritt zu Schwarzgeld, zu Fluchtgeld, dem unrechtmässig Scheinasyl gewährt wird? Wobei diesem Verdacht nur durch eine völlige Offenlegung solcher Transfers begegnet werden kann? Und wer dagegen ist, will den Schweizer Unrechtsstaat gegen ausländische Rechtsstaaten verteidigen? Spätestens bei dieser Frage sollte man stutzig werden.
Das US-Überwachungsmonster FATCA führt es vor: Automatischer Informationsaustausch bedeutet, dass ein Staat von sämtlichen seiner Bürger weltweit und unabhängig von deren Steuersitz nach seinen eigenen Gesetzen Abgaben eintreiben kann. Ja, sogar von Nicht-US-Bürgern, die in irgendeiner Form, und sei es auch nur eine Erbschaft, mit Dollar-Guthaben zu tun haben. Und jedes Finanzinstitut auf der Welt macht sich automatisch schuldig, wenn es nicht überprüft, ob sämtliche seiner Kunden ihre Verpflichtungen gegenüber US-Steuergesetzen erfüllen. Ausser, es hat seinen Sitz beispielsweise in Delaware oder Florida. Kann das wirklich die Absicht der Befürworter des automatischen Informationsaustauschs sein?
Wir schon, ihr nicht?
Nicht einmal innerhalb der EU ist der automatische Informationsaustausch in Kraft. Luxemburg und Österreich verweigern ihn. US-Banken sowieso. Dutzende von sogenannten Steueroasen auf der Welt, darunter auch Inseln, die in einem Kanal innerhalb der EU liegen, umgehen ihn. Ganz zu schweigen von Banken, die in der Wüste, in der Tundra, nahe der chinesischen Mauer, in Afrika oder Lateinamerika stehen.
Geht es also bei der Forderung nach einem automatischen Informationsaustausch um die Verteidigung eines legitimen Interesses von Rechtsstaaten, dass kein ihnen zustehendes Steuersubstrat durch Flucht ins Ausland entzogen wird? So wäre es vielleicht, wenn wir in der besten aller Welten lebten.
Reiner Orwell
So wie es nie ein Angriffs-, sondern immer nur Verteidigungsministerien gibt, die Angriffskriege organisieren, so wie es für jede Untat einen Euphemismus gibt, so spricht auch hier kein Angreifer von einem Finanzkrieg, einem Wirtschaftskrieg, von Machtpolitik, dem Recht des Stärkeren. Sondern immer nur von der Verteidigung legitimer Interessen. Selbst wenn gestohlene Kundendaten als Hehlerware aufgekauft werden. Selbst wenn Besitzer eines US-Passes, und nicht nur sie, in Geiselhaft der Weltwährung Dollar genommen werden.
Selbst wenn ein Blick in die jüngere europäische Geschichte zeigt, dass all die die Schweiz umgebenden Rechtsstaaten sich immer wieder in Unrechtsstaaten verwandelten. Heute tragen sie mit rechtsstaatlichem Getöse den Anspruch auf Einsichtnahme in sämtliche Kontobewegungen ihrer Bürger in der Schweiz vor. Und morgen?
Information ist Macht
Modernen Imperialismus erkennt man nicht mehr nur daran, dass Flugzeugträger aufkreuzen oder Cruise Missiles und Drohnenbomben einschlagen. Heutiger Imperialismus wird auch mit dem Zugriff auf Informationen ausgeübt. Selbst ein von einem aktuellen Rechtsstaat erlangtes Zugriffsrecht kann morgen von einem Unrechtsstaat missbraucht werden. In der aktuellen Wirtschaftskrise in den USA und in Europa, das ist inzwischen eine Binsenwahrheit, gehen demokratische Kontrollmechanismen immer mehr vor die Hunde.
Wo es keine Schranken gibt, siegt Macht. Unbeschränkte Macht ist willkürlich. Ihr unkontrollierter Zugriff auf Leib, Leben und Vermögen von Untertanen ist gefährlich. Deshalb ist automatischer Informationsaustausch gefährlich. Mit dem Euphemismus «Kampf gegen Steuerhinterziehung» soll der Zugriff aufs Portemonnaie des Untertanen erkämpft werden. Natürlich auch von Oppositionellen, Asylanten, Dissidenten. Weltweit. Wenn das für die USA, die EU-Staaten, für die 34 Mitglieder der OECD gelten soll, also für überschuldete und verlumpende Staaten, wieso dann nicht für alle anderen Länder der Welt? Natürlich auch für jede üble Diktatur, solange sie nur über so etwas wie ein Steuergesetz verfügt. Mit aktuell gültigen oder zukünftigen Abgabeordnungen. Unkontrolliert und willkürlich veränderbar. Inklusive völlige Enteignung. Das kann niemand wollen.