Die Schweizerische Volkspartei (SVP), die das Asylgesetz verschärfen will, hat mit dem neuen Präsidenten der Freisinnigen (FDP), Philipp Müller, einen starken Verbündeten - auch einen Konkurrenten - erhalten. Die CVP hat sich mehrheitlich dem Bündnis angeschlossen, das die Asylbewerber in vielen Bereichen schlechter stellt und die Schweiz als Asylland unattraktiv machen will.
So wollen die Bürgerlichen den Asylsuchenden u.a. nur noch Nothilfe gewähren. Heute erhalten Asylbewerber während des Asylverfahrens Sozialhilfe (weniger als Einheimische), damit sie während des Verfahrens menschenwürdig leben können. Sobald ihr Asylgesuch definitiv abgelehnt ist, erhalten sie nur noch Nothilfe: Sie müssen das Asylzentrum oder die Wohnung verlassen, übernachten in Notschlafstellen und erhalten wenige Franken fürs Essen und den täglichen Bedarf.
Starke Argumente der Justizministerin
Bundesrätin Simonetta Sommaruga versuchte die Parlamentarier zu überzeugen, dass diese Verschärfung nicht zum Ziel führe und Asylbewerber nicht davon abhalten werde, in unser Land zu kommen. Immerhin 35 Prozent der Asylsuchenden könnten in der Schweiz bleiben, und es handle sich teils um traumatisierte Menschen und Folteropfer. Ihnen lediglich Nothilfe zu leisten, sei unmenschlich, sagte die Justizministerin.
Sie wies auf Widersprüche hin: Der Rat unterstützt Kollektivunterkünfte, aber jetzt entscheide er sich für Notschlafstellen, er verlange Beschäftigungsprogramme, doch Nothilfebezüger seien davon ausgenommen. Zudem werde es schwieriger, Asylbewerber für Anhörungen aufzubieten, wodurch die Asylverfahren noch verlängert würden. Die starken Argumente der Bundesrätin waren in den Wind gesprochen, die Mehrheit der Nationalräte liess sich vor der vorgefassten Meinung nicht abbringen.
Familienasyl gerettet
Immerhin gelang es Sommaruga, unterstützt von den Linken, das Familienasyl zu retten. Renitente Asylsuchende, welche die öffentliche Sicherheit gefährden und auch andere Asylbewerber belästigen, sollen in besonderen Zentren verlegt werden können, aber nicht in geschlossene Internierungslager, wie es die SVP forderte. Weitere Verschärfungen bestehen darin, dass Kriegsdienstverweigerer und Deserteure kein Asyl mehr erhalten, wenn sie nicht noch andere Asylgründe vorbringen können.
Die Bürgerlichen verlangten diese Änderung infolge der verstärkten Zuwanderung aus Eritrea, aber sie wird kaum etwas bewirken, denn Deserteure aus Eritrea dürfen auch künftig nicht heimgeschickt werden, da ihnen dort Folter oder gar der Tod droht; sie werden vorläufig aufgenommen werden. Weitere Verschärfungen, die Asylbewerbern das Leben erschweren, setzten die Bürgerlichen entgegen dem Willen des Bundesrats durch – auch zwei unrealistische Motionen. Die Asylgesetzrevision wurde deutlich angenommen - gegen den Willen der Linken und Grünen. Sie geht zurück an den Ständerat; er erhält die Gelegenheit, die Weichen besser zu stellen.
Weder sorgfältig, noch erfolgversprechend
Die Asyldebatte war keine Sternstunde des Nationalrats. Es ist zuzugeben, dass im Asylwesen vieles nicht rund läuft, und dass eine Minderheit von Asylbewerbern arrogant auftritt, handgreiflich und kriminell wird. Gerade die SVP lässt jedoch keine Gelegenheit aus, um Vergehen und Verbrechen von Asylsuchenden aufzubauschen, oft unterstützt von schlagzeilenhungrigen Medien. So wird die Unzufriedenheit in der Bevölkerung geschürt, und gleichzeitig berufen sich die Bürgerlichen auf die schlechte Stimmung im Volk, um einschneidende Verschärfungen des Asylgesetzes durchzusetzen.
Ihre Hoffnung, die Asylgesuche würden dadurch abnehmen, wird sich als Illusion erweisen. Auch der einst stolze Freisinn setzt inzwischen auf die populistische Karte. Beispielsweise spricht er in seiner Pressemitteilung von Asylchaos. Wie kann eine liberale Partei so sorglos mit emotionsgeladenen Begriffen umgehen? Hingegen trifft es zu, dass es im Asylwesen Missstände gibt. Doch daran sind nicht allein die Asylsuchenden schuldig. Auch das Parlament trägt einen Teil der Verantwortung. Weshalb?
Das vor 31 Jahren in Kraft getretene Asylgesetz wird gegenwärtig zum elften Mal revidiert. 1991 schrieb der Bundesrat: „Trotz gesetzgeberischen, personellen und organisatorischen Vorkehren gelang es bisher nicht, die gestellten Gesuche innert nützlicher Frist zu behandeln.“ Seither sind weitere sieben Revisionen in Kraft getreten, immer mit dem Ziel, die Behandlung der Asylgesuche zu beschleunigen. Doch heute dauern die Asylverfahren länger als damals. Das Parlament hat im Asylbereich weder gründlich noch erfolgreich gearbeitet. Aber es ist sich seines Unvermögens nicht bewusst, und der Nationalrat fährt fort, wenig durchdachte Gesetzesartikel zu genehmigen.
Auch Bundesräte agierten ungeschickt
In der Verantwortung stehen auch der Bundesrat, die Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements sowie das Bundesamt für Migration (BFM). Als Christoph Blocher das Justizdepartement 2004 übernahm, begann eine kurze Periode mit so wenig Asylgesuchen wie seit langem nicht mehr, gut 10'000 pro Jahr. In jener Zeit unterliess es der Justizminister, die Rückführung abgewiesener Asylbewerber entschlossen an die Hand zu nehmen. Er kaprizierte sich darauf, getrieben von seinem Spareifer, die Aufnahmekapazitäten für Asylsuchende in den Kanton stark reduzieren lassen, was wenige Jahre später und bis heute zu Engpässen führte.
Blochers Verdienst liegt an einem andern Ort: Er machte es möglich, dass vorläufig aufgenommene Asylbewerber arbeiten dürfen und dadurch besser integriert wurden. Seine Nachfolgerin, Eveline Widmer-Schlumpf, hat negative Spuren hinterlassen: Sie peitschte im Asylbereich eine Reorganisation durch, die völlig misslungen ist.
Sommarugas Herkulesaufgabe
Als Simonetta Sommaruga vor gut eineinhalb Jahren zur Bundesrätin gewählt wurde, erhielt sie das Justiz- und Polizeidepartement zugewiesen - mit der schwierigsten aller Verwaltungsstellen, dem Bundesamt für Migration. Die Nicht-Juristin ist die erste Justizministerin seit langem, die entschlossen scheint, den Problemen im Asylbereich auf den Grund zu gehen, Missstände zu beheben, aber gleichzeitig das Asylrecht zu bewahren. Sie steht erst am Anfang dieser Herkulesaufgabe.
Auch ohne Gesetzesänderung kann das Asylverfahren in Zusammenarbeit mit Kantonen und Gemeinden schon spürbar verbessert werden. Die Bundesrätin setzte sich ehrgeizige Ziele, - sie sprach davon, 80 Prozent der Asylgesuche innert 120 Tagen abschliessen zu wollen. Ihre detaillierten Vorschläge sollen vor Ende Jahr vorliegen. Wird das Parlament das schwierige Vorhaben umsichtig unterstützen? Einzelne vom Nationalrat beschlossene Verschärfungen stören jedoch die Beschleunigung.