Gleich wichtig, wenn nicht sogar wichtiger als Kommunikation ist die Metakommunikation. Wir sagen immer mehr, als was wir ausdrücklich sagen.
Es war also eigentlich nur eine Frage der Zeit, dass irgendein gewitzter Designer diese Idee in ein schniekes App umsetzte. „Yo“ heisst das Ding, entwickelt vom jungen israelischen Designer Or Arbel. Es sendet nur eine einzige Nachricht, nämlich „Yo“. Eine Grussformel, auf den ersten Blick, wie „Hallo“, „Hi“, „Hoi“. Viel mehr, auf den zweiten. Die Idee dahinter ist, mit den Worten des Schöpfers, „kontext-basiertes“ Mitteilen. Die Nachchricht selbst hat keine Bedeutung, erst im Kontext versteht man, was mit „Yo“ gemeint ist. Das erscheint nun, auf Anhieb zumindest, bestechend, ja, genial. Wir alle kennen Situationen, wo wir uns nicht weitschweifig erklären, sondern kurzangebunden etwas sagen wollen. „Yo“. Die Einsilbigkeit des Wortes signalisiert der kontaktierten Person, dass man in einem stillschweigenden Einverständnis mit ihr ist, die es ihr gestattet, mit der Kürzestmitteilung selber etwas anzufangen. „Yo“ ist eine Vertrauenszeichen, eine Bekundung von Nähe. Möglicherweise entspricht Yo auch einem minimalistischen Comment im Online-Verkehr: nicht reden, sondern einfach etwas Redeähnliches absondern . – Die Kurzangebundenheit signalisiert ja: Ich habe keine Zeit, bin aber „bei dir“. Man teilt nicht etwas Besonderes mit, sondern man teilt mit, dass man mitteilt – eine Art von Existenzbekundung.
Man mag es albern finden, Yo ist ein Symptom des heutigen Kommunikationskontexts. Die mobilen Geräte, immer zur Verfügung, halten uns permanent auf dem Laufenden, ertränken uns in den Nachrichtenströmen, und sie verstärken dadurch die Notwendigkeit der Metakommunikation. Wenn wir uns online austauschen, dann äussern wir vielfach eine Variation von: Ich bin hier; wo bist du? Und diese Botschaften haben durchaus auch ihre Bedeutung, wenn man sie zurückhält. Schweigen wird zum Verdachtsmoment. Dave Eggers zeigt das in seinem Roman „The Circle“ sehr eindrücklich. Das wissen natürlich auch all die smarten App-Designer, und mit ihren Clownerien streichen sie immer wieder den Leim aus, auf den wir ihnen gehen.
Minoritäre Kommunikationsform zur Norm durchzuboxen
Der Medientheoretiker Ian Bogost weist noch auf eine andere Bedeutung hin. Trotz der Absicht seines Erfinders, Bedeutung zugunsten von Kontext zu eliminieren, habe „Yo“ eine ganz spezifische Konnotation. Das Wort sei ein „Dudebro“-Ausdruck, ein Slangbegriff aus dem Umkreis von jungen, halbstarken Machos („dude“ = Kumpel; „bro“ = brother). „Yo“ ist hormongesteuert, angriffig. Es sagt nicht nur „Hallo, hier bin ich“, es sagt dies mit brüstendem, forderndem Gehabe: „Ich will was von dir, dudebrother!“. „Yo“ hat Drohpotenzial. Und so gesehen erscheint das Wort symptomatisch für einen kontext-basierten Umgangston, den man sich gut in den Studios und Lofts der App-Designer vorstellen kann. Was dann zu denken gibt, ist nicht die Albernheit der Botschaft, sondern die Chuzpe, alle menschliche Kommunikation zum Slang des technologischen Neusprech einzudampfen; das heisst, eine minoritäre Kommunikationsform zur Norm durchzuboxen. Wie dumm, obszön, impertinent eine Bemerkung auch ist, mit „Yo“ versehen signalisiert sie: Ich will wahrgenommen, ernstgenommen, gewürdigt werden! Im Subtext: Ich will profitieren! – „Yo“ ist die Meta-Botschaft der Online-Alchemisten: Aus Mist mach Gold.