Rechtzeitig zu Weihnachten hat der US-Kongress, in grosser Hast und ohne ausreichende Anhörungen, ein neues Steuergesetz verabschiedet. Dessen längerfristige Folgen sind angesichts der Komplexität solcher Vorlagen im Einzelnen noch nicht absehbar. Mit Sicherheit aber wird die „schöne grosse Steuersenkung“ (Donald Trump) das nationale Budgetdefizit in den nächsten zehn Jahren mit 1,445 Billionen Dollar belasten – eine Erhöhung, welche die Republikaner bisher stets erbittert bekämpft hatten. Doch im vorliegenden Fall warfen sie, des kurzfristigen Gewinns wegen, all ihre hehren Prinzipien über Bord und priesen denselben Präsidenten als grossen Staatsmann, der sie unter dem Jahr noch via Tweets der Lächerlichkeit preisgegeben hatte.
Es war ein Stück absurden Theaters, das sich Mitte Woche der Nation vor dem Weissen Haus bot: Donald Trump und die Republikaner in Minne vereint, kindisch stolz darauf, nach fast einem Jahr der Erfolgslosigkeit – unter anderem beim Versuch, Barack Obamas Gesundheitsreform rückgängig zu machen – einen ersten gesetzgeberischen Triumph feiern zu können.
Und dabei erst noch Versäumtes nachzuholen: Experten zufolge dürfte das neue Steuergesetz dazu führen, dass neun Millionen Kinder, die seit 1997 von einer besonderen Krankenversicherung (CHIP) profitieren, diese Abdeckung verlieren werden. Der Kongress hat es bisher versäumt, CHIP zu erneuern, und es ist kaum anzunehmen, dass sich die Republikaner beeilen werden, die nötigen 14 Milliarden Dollar pro Jahr erneut zu sprechen.
Amerikas neues Steuergesetz geht davon aus, dass sich die Strategie grosser Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche in ausserordentlichem Wirtschaftswachstum niederschlägt. Zumindest im Falle früherer Reduktionen, unter Ronald Reagan Anno 1981 und unter Georg W. Bush in den Jahren 2001 und 2003, ist das nicht eingetreten. Nur wenige Ökonomen im Lande glauben, dass sich die rosigen Voraussagen der Regierung – ein Wirtschaftswachstum von bis zu vier Prozent für 2018 – bewahrheiten werden. Goldman Sachs zum Beispiel prognostiziert für die nächsten beiden Jahre lediglich einen Zuwachs von 0,3 Prozent. Danach würde die Wirkung verflachen.
Selbst die amerikanische Bevölkerung ist skeptisch. Umfragen zufolge sieht eine Mehrzahl der Befragten das neue Steuergesetz negativ. Lediglich 16 Prozent glauben laut Quinnipiac University, dass sie künftig weniger Steuern werden zahlen müssen.
Als sicher aber gilt laut Anwälten und Steuerfachleuten, dass Donald Trump selbst Millionen Dollar an Steuern wird einsparen können – wiederholten Beteuerungen zum Trotz, das neue Gesetz würde ihn massiv kosten. So haben die Republikaner im Kongress in letzter Minute noch eine Senkung eingefügt, die Besitzer von teuren Immobilien wie den Präsidenten bevorteilt.
Charles M. Blow charakterisiert denn auch in der „New York Times“ die Reduktion wie folgt: „Mit ihrem Steuergesetz rauben Donald Trump und die Republikaner bei hellem Tageslicht das Finanzministerium aus und werfen den Massen Brotkrumen hin, während sich die Millionäre und die Milliardäre mit dem Eingemachten davonmachen.“ Dabei, so der Kolumnist, hätte Präsident Trump im Wahlkampf versprochen, den Sumpf in Washington DC trockenzulegen: „Das war eine freche Lüge unter vielen anderen. Er und die Republikaner verfüttern uns an die Alligatoren.“