Wir haben das Glück, in einem schönen Land zu leben, in dem Frauen und Männer verschiedenster Kulturen und Sprachen leben. Diese Vielfalt wird unterstützt durch eine staatliche Gestaltung auf drei Ebenen: Gemeinde, Kanton und Eidgenossenschaft. Sie überträgt dem Volk eine grosse Macht. Wir haben gute Voraussetzungen, um unser Land im Interesse des Gemeinwohls besser zu organisieren und zu gestalten.
Beispiel eins
Doch gegenwärtig treiben wir ohne Steuermann umher. Vor sieben Jahren hat der Bundesrat die Verhandlungen mit der EU begonnen im Hinblick auf ein Rahmenabkommen. Doch er hat sie nicht mit der nötigen Umsicht begleitet, und als der Vertrag zur Unterzeichnung bereit war, hat er ihn in eine Vernehmlassung geschickt, ohne dazu seine Meinung zu äussern. Die einen sagten, der Vertrag sei der bestmögliche für ein Land, das nicht Mitglied der EU ist, die andern fanden ihn unannehmbar. Nach einem weiteren Treffen von Bundespräsident Parmelin mit der Präsidentin der EU-Kommission, von der Leyen, brach der Bundesrat die Verhandlungen abrupt ab und erklärte das Abkommen für gescheitert.
Angesichts der Tatsache, dass wir ein kleines Land mitten in Europa sind, ist dieser Schritt nicht angebracht. Aber er steht im Einklang mit den vielen Besuchen von Bundesräten in China und in Saudiarabien. Unsere europäischen Nachbarn, mit denen wir viel Gemeinsames haben, bekommen nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Wir haben – es tut mir leid, das zu sagen – eine unbedachte, kopflose und oft unentschlossene Regierung. Mit Politikern dieser Art wäre Mitte des 19. Jahrhunderts unser Bundesstaat nie geschaffen worden.
Beispiel zwei
Nachdem sich der Bundesrat entschlossen hatte, das Geldwäschereigesetz zu verschärfen, ist ihm das Parlament während der vergangenen Sommersession nicht gefolgt. Anwälte, Treuhänder und Berater dürfen ihren Kunden weiterhin erläutern, wie sie undeklarierte schwarze Gelder reinwaschen können. Einzig wenn sie sich an den Geldverschiebungen aktiv beteiligen, sind sie dem Geldwäschereigesetz unterstellt, insbesondere mit der Pflicht, verdächtige Transaktionen zu melden. Vor dieser Verwässerung des Gesetzes hatte sogar die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma gewarnt. Doch das Parlament wollte nicht darauf eingehen und bewies einmal mehr, dass der bürgerlichen Mehrheit das Unrechtsbewusstsein fehlt.
Beispiel drei
Gegen ein vom Parlament genehmigtes Bundesgesetz kann mittels eines Referendums eine Volksabstimmung verlangt werden. Da das CO2-Gesetz lediglich von der SVP und einzelnen FDP- und Mitte-Politikern sowie seitens der Wirtschaft bloss von der Erdölvereinigung und den Autohändlern bekämpft wurde, schien das Gesetz nicht gefährdet zu sein. Doch 51,6 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sagten nein zu diesem Gesetz, das die dramatische Klimaerwärmung hätte verlangsamen können. Es bleibt ein schaler Nachgeschmack, denn die Freisinnigen und die Linke wähnten sich offenbar zu sicher und haben sich nicht mit voller Kraft dafür eingesetzt, die positiven Aspekte des komplexen Gesetzeswerkes aufzuzeigen.
In diesen drei Beispielen haben sich Kräfte durchgesetzt, die kein Vertrauen in die Zukunft haben und jeder Veränderung misstrauen. Es herrscht die Furcht, etwas zu verlieren. Diejenigen, die eine offene, solidarische und zuversichtliche Schweiz wünschen, müssen sich künftig mit mehr Überzeugungskraft dafür einsetzen, die von Ängstlichkeit und Misstrauen geprägte Stimmung zu überwinden.