Von der Öffentlichkeit beinahe unbemerkt ist ein Detail der grandiosen Griechenland-Solidaritätshilfe aus den Dunkelkammern der EU bekannt geworden. Finnland verlangt für seine Beteiligung am Rettungspaket ein Pfand. Österreich, Slowenien, die Slowakei und die Niederlande sagen das, was man in einer echten Solidargemeinschaft so sagt: Wenn die das kriegen, wollen wir auch. Was bedeutet das?
Weiterer Sargnagel
Da ein Staat, im Gegensatz zu jedem anderen Wirtschaftsunternehmen, keine Bilanz machen muss, in der sein Eigentum aufgeführt ist, kann Griechenland weder das goldene Vliess noch die Akropolis als Pfand anbieten. Aber Geld. Das bedeutet so konkret wie absurd: Finnland bekommt Geld dafür, dass es Griechenland Geld leiht. Hintergrund ist, dass bei den letzten Wahlen die eurofeindlichen «Wahren Finnen» zweitstärkste politische Kraft wurden. Das schlug sich im grossartigen Rettungspaket II, alle für einen, Solidarität und Gemeinschaftssinn, im Kleingedruckten nieder: «In angemessenen Fällen kann es eine Vereinbarung geben, die Risiken abdeckt, die Staaten durch den Euro-Rettungsschirm entstehen.» Und durch dieses Loch tropft nun Schwefelsäure.
Einmaleins von Finanzrettungen
Firma X hat die Gläubiger A, B, C und D. Die sind sich einig, dass man gemeinsam versuchen sollte, den Schuldner zu retten und dafür sogar allenfalls neues Geld in die Hand nehmen muss, damit das bereits investierte Kapital nicht bei einem Bankrott der Firma X futsch geht. Füsse stillhalten, gemeinsam handeln, das ist der einzige Weg, damit das funktionieren kann. Im realen Wirtschaftsleben stehende Praxis. Nun erfahren Gläubiger B, C und D, dass A sich schnell mal einen Vorteil verschafft hat, indem A mit Firma X ein Zusatzpäckchen geschnürt hat und sich ein Pfand, sagen wir auf das Hauptquartier der Firma, überschreiben liess. Gläubiger B, C und D kriegen rote Köpfe, beschimpfen A, wollen auch Pfänder, erklären die gemeinsame Rettungsaktion für gescheitert, Firma X segelt in die Pleite. Kommt ebenfalls nicht zu selten vor.
Stampede oder Nachschuss
Sollten alle fünf Pfandforderer ihre Ankündigung wahr machen, sprechen wir von einem ungefähren Gesamtbetrag von knapp 9 Milliarden Euro. Die müsste das bankrotte Griechenland zusätzlich aufbringen, sich also neu leihen. In für einen Ökonomen seltener Klarheit warnt im «Spiegel» Jürgen Matthes vom konservativen Institut der Deutschen Wirtschaft vor einer Anwendung dieser Pfand-Regel: «Wenn sich das durchsetzt, ist Europa kurz davor, baden zu gehen.» Einen zusätzlichen Rettungsring könnte höchstens Deutschland, eventuell noch Frankreich, in die Wogen der Eurokrise werfen. Zick-zack-Merkel und Dampfplauderer Sarkozy wäre das noch zuzutrauen. Aber in beiden Staaten mehren sich in der Bevölkerung, aufgenommen von opportunistischen Politikern, die Stimmen, die weitere Belastungen durch Rettungsmassnahmen strikt ablehnen. Schlimmer noch, wie an der Firma X erläutert, kann das eine Stampede auslösen. Was zur absurden Situation führen würde, dass Griechenland für die rund 73 Milliarden staatliche Garantien des neusten Rettungsschirms 73 Milliarden als Pfandsicherheit aufbringen müsste.
Und der Eurobond?
Eurokraten ist ja alles zuzutrauen, daher ist es denkbar, dass angesichts dieser neuen Gefahr die Idee des Eurobonds neuen Auftrieb bekommt. Also die Herausgabe eines Staatsschuldpapiers, das von allen 17 Euro-Staaten garantiert wird, aber von jedem einzelnen begeben werden kann. Nun ist es müssig, zukünftige Entscheidungen dieser wortbrüchigen Witzfiguren prognostizieren zu wollen. Was diese versteckte Pfandklausel im neusten Rettungspaket allerdings mit absoluter Sicherheit wieder vorführt: Wenn man mit viel Gehirnschmalz nach der falschesten, absurdesten, schädlichsten, kontraproduktivsten Form einer Handlung sucht, dann liegt man bei den Eurokraten genau richtig. Diesmal wird es allerdings nichts nützen, wenn Angela Merkel wieder in den Flieger steigt, um in Paris gemeinsam mit Gernegross Sarkozy in Zahlen und Worten null, nichts, rien, nada, njet zu beschliessen.