Vor allem bewegend am Zürcher Hafenkran ist die Frage, ob es sich um Kunst handelt oder nicht. Wir weichen hier einer eigenen Antwort aus, verweisen auf jene, die Urs Meier im «Kommentar 21» am 19. Dezember 2013 vertrat, wechseln die Perspektive und merken prosaisch an, dass es sich beim Objekt der Deutungskunst um ein lasthebendes Arbeitsgerät und einen anspruchsvollen Arbeitsplatz handelt.
Gaffende Meute
Jetzt steht der Kran jeder Nutzbestimmung beraubt an einem Fluss: so zwecklos wie ein Flugzeug in einem Kornfeld oder ein Schneepflug in der Wüste. Für Kranführer muss der Anblick traurig sein. Ihnen ist die Behauptung, eine Maschine im völligen Leerlauf erhebe sich in den höheren Zustand der Kunst, alles andere als ein Aufsteller.
Denn ein Kran ohne Kranführer ist in deren Augen weder Kunst noch Nichtkunst, sondern nichts. Zur Not könnte ein Kranführer ohne Kran Lasten heben. Ein Kran ohne Kranführer hingegen ist ein totes Ding, das von der Meute begafft vor sich hinrostet. Das Wasser der Limmat beschleunigt die Zersetzung von Zürichs teuerster Kunstfrage.
Schöner Kranich
Ein Kran, dem der Steuermann fehlt, ist trostlos wie ein verlassenes Haus, gespenstisch wie ein stillgelegter Bahnhof, langweilig wie ein Trapez ohne Artisten. Und die Kranführer sind Artisten.
Sie heben die Lasten mit dem richtigen Anschlagmittel und Schwerpunkt, drehen gleichzeitig den Ausleger millimetergenau zum Entladeziel, wechseln mit den Kranbewegungen zwischen der Vertikalen und der Horizontalen, zirkeln an Hindernissen vorbei, vermeiden Schäden an Fassaden und Fenstern, manövrieren präzise schnell und demonstrieren, warum der schöne Kranich dem Kran den Namen gab.
Die Kranführer tanzen mit dem Kran, jonglieren die Lasten und bieten ein Spektakel bis zur atemstockenden Nummer. Das ist Kran. Erst der Kranführer macht ihn möglich.
Hohe Anforderungen
Er muss aufgrund seiner körperlichen und geistigen Verfassung eine sichere Bedienung des Krans gewährleisten, einen Grundkurs absolvieren und die Prüfung für den Kranführerausweis bestehen. Die Einzelheiten regelt auf 27 Seiten die Richtlinie «Kranführerausbildung für das Bedienen von Fahrzeug- und Turmdrehkranen» der EKAS, der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit.
Einen Kran führen ist eben wesentlich mehr, als Lasten heben. Der Kranführer bestimmt den Takt auf der Baustelle oder im Hafen, bespricht mit dem direkten Vorgesetzten den Tagesablauf, gewährleistet per Funk oder Handzeichen die Verbindung zu den Arbeitern am Boden und überprüft die Funktionstüchtigkeit des Krans, den er auch zu warten hat.
Die hohen Anforderungen spiegeln sich in der «Verordnung über die sichere Verwendung von Kranen», die der Bundesrat gestützt aufs Unfallversicherungsgesetz erliess. Die Artikel 24 reichen nicht aus. Wo die Kranverordnung nichts Besonderes bestimmt, gelten überdies die «Verordnung über die Unfallverhütung» mit 109 Artikeln und die Suva-Richtlinie für den «Einsatz von Kranen und Baumaschinen im Bereich elektrischer Freileitungen» mit 28 Artikeln.
Ausser den 161 Artikeln ist dem Kranführer nachdrücklich geraten, mit dem Inhalt von 66 Vorschriftsseiten vertraut zu werden, nämlich mit dem Suva-Merkblatt «Turmdrehkrane – Installation, Montage, Demontage», der Suva-Checkliste für «Kranführer von Turmdrehkranen», dem Suva-Informationsblatt «Baukran-Stürze durch Sturmböen - muss das sein?» und schliesslich mit der EKAS-Richtlinie «Überprüfung und Kontrolle von Fahrzeugkranen und Turmdrehkranen».
Mit sechs Fachzeitschriften hält sich der Kranführer weiterbildend auf dem Laufenden.
Ausgleichende Gerechtigkeit
Dieser tüchtige Mensch aber, der dem Kran mit Stolz und Leidenschaft die Hände und den Kopf leiht, spielt an der Limmat keine Rolle. Das ist ungerecht.
Es braucht den Ausgleich. Ein Lob muss her. Es sei hiermit voller Respekt abgestattet – um die Schlussbemerkung ergänzt, dass sich die Kunstfrage gar nicht stellt, weil der Kran ohne Kranführer keiner ist.
Hilfreich für diesen Beitrag waren www.kran-info.ch, www.suva.ch und www.baumeister.ch