Die letzte der drei Fernsehdebatten zwischen Barack Obama und Mitt Romney in Boca Raton (Florida) war ganz der Aussenpolitik gewidmet. Dabei gelang es dem Präsidenten wiederholt, Amerikas Rolle in der Welt als vom Wohlstand im Innern abhängig zu definieren.
Wenn einer, schrieb ein Blogger der „Washington Post“, zu Beginn des Präsidentschaftswahlkampfes einem erfahrenen Polit-Strategen egal welcher Partei gesagt hätte, der Ausgang des Rennens um den Einzug ins Weisse Haus könnte von einer dritten Debatte abhängen, die sich um das Thema Aussenpolitik drehte, er wäre mit Augenrollen oder Gelächter bedacht worden. Wohl in keinem andern amerikanischen Wahlkampf aber haben Debatten unter den beiden Spitzenkandidaten eine so wichtige Rolle gespielt wie dieses Jahr die rhetorischen Duelle zwischen Präsident Barack Obama und dessen Herausforderer Mitt Romney.
Das "momentum"
Hatte Romney zur Überraschung vieler die erste Runde in Denver (Colorado) eindeutig für sich entschieden, war es Obama vergangene Woche im Hempstead (New York) gelungen, den Spiess umzudrehen und als Sieger die Arena zu verlassen. Für seinen verpatzten ersten Auftritt bezahlte der Präsident aber einen hohen Preis: Meinungsumfragen, die ihn zuvor noch favorisiert hatten, liessen plötzlich auf ein völlig offenes Rennen, wenn nicht gar auf Vorteile für seinen republikanischen Herausforderer schliessen. Das „momentum“, wie Amerikaner das schwierig zu umschreibende Phänomen nennen, d.h. der psychologische Vorteil schien in Romneys Richtung gedreht zu haben.
Auch nach der dritten Debatte an der Lynn University in Boca Raton waren sich die am Bildschirm versammelten Experten uneinig, ob es Barack Obama gelungen war, den Trend in der Tat zu kehren. Zwar bescheinigten ihm die meisten Beobachter, beim Thema Aussenpolitik dank der Erfahrung einer ersten Amtszeit häufiger gepunktet zu haben als Mitt Romney. Obama sei gekommen, um zu attackieren, Romney dagegen, um dem Präsidenten zuzustimmen, meinte auf CNN James Carville, der seinerzeit Bill Clinton erfolgreich beraten hat. Doch gleichzeitig wiesen Kommentatoren darauf hin, dass der Republikaner den „commander-in-chief test“ erneut bestanden habe, d.h. dass es ihm gelungen sei, ebenso präsidial zu wirken wie der Mann im Weissen Haus.
Aufmerksame Zuhörer?
Ein Experte sagte wohl zu Recht, der Anlass in Boca Raton habe eher einer Diskussion als einem Streitgespräch geglichen. Wobei das Format der dritten Debatte einem höflichen Meinungsaustausch Vorschub leistete: Die beiden Kandidaten sassen mit Moderator Bob Schieffer (vom Fernsehsender CBS) an einem Tisch, ein Umstand, der ihnen nur wenig Bewegungsfreiheit liess und den Redefluss beruhigte.
Romney und Obama waren sich bewusst, dass sie bei ihren Ausführungen häufig gleichzeitig in Nahaufnahme zu sehen waren. Entsprechend bemühten sich beide, den aufmerksamen Zuhörer zu mimen und irritierende Reaktionen zu unterlassen. Was dem Präsidenten diesmal besser gelungen sein dürfte als seinem Herausforderer. Obschon sich Barack Obama in der Debatte aggressiver zeigte und Mitt Romney wiederholt beschuldigte, im Wahlkampf seine Meinung geändert zu haben oder heute das Gegenteil dessen zu behaupten, was er früher vertreten hatte.
Parodie der Aussenpolitik
Die aussenpolitische Debatte war in sechs Segmente von je 15 Minuten Dauer unterteilt. Nicht weniger als drei Segmente beschäftigten sich mit dem Nahen Osten: eines mit den Ereignissen in Libyen und Syrien, ein zweites mit den Veränderungen in der Region und dem Krieg gegen den Terror sowie ein drittes mit dem Konflikt zwischen Israel und dem Iran. Die übrigen Segmente waren der Entwicklung in Afghanistan und Pakistan, der künftigen Rolle Chinas sowie der Stellung Amerikas in der Welt gewidmet. Die Auswahl der Themen, meinte ein Kritiker, sei eine Parodie der Auffassung dessen, was Aussenpolitik für die politische Klasse in Washington DC bedeute: „Nahost, Nahost, Nahost und, na ja, China.“
Auf jeden Fall blieben Themen wie die Eurokrise, der Klimawandel oder die Folgen der Globalisierung aus der TV-Debatte an der Lynn University ausgeklammert: ein Ausdruck jener Weltsicht, die zu unterstreichen beide Kandidaten nicht müde wurden: Amerika ist nach wie vor die grösste, stärkste und reichste Nation der Erde, oder – wie Mitt Romney sagte – „die Hoffnung der Welt“.
Abgewehrter Angriff
Selbstzweifel oder Mässigung sind da fehl am Platz, weshalb der Republikaner auch das Militärbudget um zwei Billionen Dollar aufzustocken plant, obwohl das Pentagon, wie Barack Obama mehrmals betonte, diese Mittel gar nicht wolle. Romneys Kritik, die amerikanische Flotte verfügte heute über so wenige Schiffe wie seit 1917 nicht mehr, begegnete Obama schnippisch mit dem Hinweis, Amerikas Armee kämpfe auch nicht mehr mit Pferden oder Bajonetten, sondern mit Flugzeugträgern oder Unterseebooten.
Anders als in der ersten Debatte versäumte es der Präsident in Florida auch nicht, auf „die verfehlte und verantwortungslose Politik“ seines Vorgängers George W. Bush und dessen Vize Dick Cheney hinzuweisen, die den USA zwei Kriege und den Beinahe-Kollaps des Finanzsystems beschert hätten. Dagegen gelang es dem Herausforderer nicht, seinen Opponenten in die Enge zu treiben, was die Reaktion des Weissen Hauses auf die jüngsten Angriffe auf Amerikaner in Libyen oder das Verhältnis Washingtons zu Israel betrifft – beides Themen, bei denen Mitt Romneys Lager zu punkten gehofft hatte.
Aussen stark, innen soilide
Auch beim Streitpunkt Iran blieb Mitt Romney nicht viel anderes übrig, als Barack Obama beizupflichten, dass erst einmal die Wirkung der Sanktionen abzuwarten sei und eine Militäroperation gegen die Islamische Republik nur der letzte Ausweg sein dürfe. Der Präsident hatte zuvor bekräftigt, im Falle eines Angriffs des Iran Israel beizustehen, und unterstrichen, die USA würden es nicht zulassen, dass Teheran Atomwaffen erhalte.
Auch im Falle Chinas betonte Barack Obama, Peking müsse sich an internationale Gepflogenheiten halten, und wo das nicht der Fall gewesen sei, habe das Weisse Haus in einigen Fällen erfolgreich interveniert. Romney dagegen wiederholte seine Drohung, China am ersten Tag seiner Amtszeit als „Währungsmanipulator“ zu brandmarken, was es den USA erlauben würde, Strafzölle zu erlassen.
Wiederholt wies der Präsident darauf hin, dass Amerikas Stärke im Äussern ein solides Fundament im Innern benötige. Es sei deshalb unerlässlich, mehr in Bildung und Forschung, in die Infrastruktur oder in die Energieunabhängigkeit zu investieren und gleichzeitig die Staatschulden abzubauen. Das jedoch sei ohne Mehreinnahmen, d.h. ohne Steuererhöhungen für Reiche, nicht möglich.
Eine versöhnliche Note am Schluss
Sein Opponent, so Obama, wolle nach wie vor nicht verraten, wie es möglich sei, die Steuern zu senken und die Militärausgaben zu erhöhen und gleichzeitig das Defizit zu verringern. Worauf Romney entgegnete, ihn zu attackieren sei ja wohl keine bessere Politik.
Indes endete die 90-minütige Debatte, in der beide Kandidaten ähnlich lang zu Wort gekommen waren, auf einer versöhnlichen Note. Ihm bleibe, sagte der 75-jährige Moderator Bob Schieffer, nichts Anderes übrig, als einen Ratschlag seiner Mutter weiterzuleiten: „Gehe wählen!“. In zwei Wochen, am 6. November 2012, ist es soweit und Amerikas unendlicher Wahlkampf Geschichte. Und dann gilt, was ein Verantwortlicher bei der ersten Austragung des America’s Cup 1851 vor der Isle of Wight auf die Frage Queen Victorias antwortete,, wer denn nun hinter dem Zweimaster „America“ zweiter geworden sei: “Your Majesty, there is no second.“