Die Grünen haben nicht nur in Umfragen kräftig eingebüsst. Mehr als anderen Parteien schlägt ihnen bei ihren Veranstaltungen und auf der Strasse blanker Hass entgegen. Dieser Absturz in der Beliebtheit ist erklärungsbedürftig.
Die deutsche Bundesregierung hat insgesamt eine schlechte Presse, und Umfragen zeigen, dass sie gegenwärtig ihre Mehrheit an Wählerstimmen verloren hat. So liesse sich der Absturz der Grünen damit erklären, dass sie Teil der Besatzung eines sinkenden Schiffes sind. Aber das greift zu kurz.
Denn den Grünen schlägt mehr als den Politikern anderer Parteien in der Öffentlichkeit blanker Hass entgegen. Anfang Januar blockierten Bauern eine Fähre, die Robert Habeck nach einem Inselurlaub in der Nordsee an Land bringen sollte. Es soll dabei sehr handfest zugegangen sein. Eine geplante Veranstaltung am politischen Aschermittwoch in Biberach musste wegen gewalttätiger Ausschreitungen abgesagt werden, und am selben Tag wurde die Vorsitzende Ricarda Lang in Schorndorf von einer Meute durch die Strassen gejagt. Nach Auskunft der Bundesregierung gab es auf Mitglieder der Grünen im Jahr 2023 mehr als 1200 Angriffe.
Politologen erklären diese aggressive Stimmung damit, dass die Grünen mit ihrer Umweltpolitik die Geisteshaltung einer eher besser gestellten Mittelschicht verkörpern, die sich von anderen Milieus stark unterscheidet. Am ehesten komme dieser Unterschied im Osten zum Ausdruck. An dieser Einschätzung ist etwas Richtiges, aber sie erklärt nicht, warum die Grünen seit ihrem Umfragehoch vom April 2021 von 28 Prozent auf jetzt gerade mal 14 Prozent abgerutscht sind. Und Annalena Baerbock und Robert Habeck standen lange Zeit auf den Listen der beliebtesten Politiker ganz weit vorn und finden sich jetzt auf den hinteren Plätzen wieder. Längere Zeit müssen sie also auch Milieus angesprochen haben, die jetzt nichts mehr von ihnen wissen wollen.
Propheten in den Niederungen
Hängen Zuspruch und Ablehnung enger miteinander zusammen, als es auf den ersten Blick erscheint? Das Thema Umwelt steht auf der Liste der Sorgen der Deutschen sehr weit vorn. Die Folgen der Klimaerwärmung haben sich nicht nur im Ahrtal dramatisch gezeigt. Es gibt ein Gefühl der Verunsicherung, zum Teil der Bedrohung. Dass die Grünen als erste Partei das Thema Umwelt zur Priorität erhoben haben, wirkte entlastend: Es gibt Politiker, die sich dieser ernsten Sorge annehmen. Dabei schafften es die Grünen, nicht als Unheilspropheten aufzutreten, sondern auch eine Zuversicht in Gestaltungsmöglichkeiten zu vermitteln. Der sympathische und nachdenkliche Robert Habeck war in dieser Hinsicht ebenso erfolgreich wie die frisch und unbekümmert wirkende Annalena Baerbock.
Aber dann geschah genau das, wovor der Soziologe Niklas Luhmann schon 1986 in seinem Buch «Ökologische Kommunikation» gewarnt hat: Zwar ist die Gesellschaft in der Lage, ökologische Bedrohungen wahrzunehmen, aber wenn diese Wahrnehmungen in politisches, administratives, ökonomisches und technisches Handeln umgesetzt werden sollen, müssen die Gesetzmässigkeiten dieser ganz unterschiedlichen Bereiche berücksichtigt werden. Die ökologischen Einsichten müssen jeweils in die «Sprachen» der verschiedensten Institutionen übersetzt werden. Auf diese Weise entstehen zum Beispiel auf der Ebene der Verwaltung zahlreiche neue und immer kompliziertere Gesetze. Luhmann bezweifelte schon damals, dass das ohne kontraproduktive Effekte gelingt.
Diese Schwierigkeiten springen im Zeichen der Ampelregierung den Bürgern und den direkt Betroffenen als vermeintliches politisches Versagen ins Auge: Stichwort Heizungsgesetz und Streit um den Agrardiesel. Dabei mögen politische Fehler und administrative Unzulänglichkeiten eine Rolle gespielt haben, aber das Kernproblem besteht darin, dass die Propheten in dem Masse entzaubert werden, wie sie sich in die Niederungen praktischer Umsetzung begeben.
Denn dabei geraten sie in eine neue Rolle: Sie müssen ihre Visionen einer ökologischeren Lebensweise mit der unangenehmen Tatsache verbinden, dass nicht jedes Problem mit noch mehr Geld gelöst werden kann und jeder in der einen oder anderen Weise Opfer bringen muss.