Von den 176 Passagieren des ukrainischen Flugzeugs, das am vergangenen Mittwoch von iranischen Revolutionsgarden abgeschossen wurde, waren 146 Iraner, mehrheitlich Akademiker, wohnhaft in Kanada, Schweden, der Schweiz oder anderen europäischen Ländern. Sie repräsentierten jene dramatische Talentflucht, die die Herrschenden in Teheran nicht stoppen können. Die Lebensgeschichten dieser jetzt Umgekommenen kuriseren dieser Tage in der virtuellen Welt. Sie sagen viel aus über die 40-jährige Geschichte dieser Republik.
Fast alle dieser Toten hatten neben der iranischen auch die Staatsbürgerschaft anderer Länder, fast alle waren entweder Ingenieure, Ärzte, IT-Experten oder Universitätsprofessoren.
„Brain Drain“
Das Land ist Weltmeister nicht nur bei der Zahl der Hinrichtungen, sondern auch beim „Brain Drain“. Gut ausgebildete und talentierte Iranerinnen und Iraner kehren dem Land den Rücken. Die Teheraner Tageszeitung „Financial Tribune“ führte vor zwei Jahren ein Befragung unter den Studenten der Teheraner Universität durch. Das Ergebnis: 64 Prozent von ihnen wollten sofort nach dem Studium das Land verlassen. Und das erste Ziel ihrer Wahl sind die USA. Heute dürften diese Zahlen noch höher sein.
Nach den landesweiten Unruhen im vergangenen November, bei denen 1’500 Menschen getötet wurden, meldete Google, Immigration sei das meistgesuchte Wort der Iranerinnen und Iraner im Internet.
Ihre Weihnachtsferien wollten diese Menschen in der alten Heimat verbringen, doch sie wurden Opfer eines Konflikts, dessen Ende immer noch unabsehbar ist und für den wahrscheinlich noch weitere unschuldige Menschen sterben werden.
Ohne Druck gäbe es dieses Geständnis nicht
Die Machthaber der Islamischen Republik haben nach Tagen der Lüge endlich einen Fehler zugegeben und sich zu einer nationalen Katastrophe bekannt. Das ist einmalig für diese eigenartige Republik, die sich als eine göttliche Ordnung versteht und sich für unfehlbar hält.
Dieses einmalige Geständnis verdanken wir den emigrierten Iranern. Ohne Druck fast aller Regierungen ihrer Wahlheimat gäbe es dieses beispiellose Geständnis nicht. Vor allem Justin Trudeau, der kanadische Ministerpräsident, schaltete sich sehr früh und sehr laut ein und forderte eine schnelle Aufklärung. Schon Stunden nach dem Abschuss der Maschine sagt er: „Wir haben Geheimdienstinformationen aus mehreren Quellen, von unseren Alliierten und eigene Informationen. Diese besagen, dass die Maschine abgeschossen worden ist.“
Auch nach dem iranischen Geständnis lässt Trudeau nicht locker und fordert nun Transparenz und Gerechtigkeit.
Bleibt alles beim Alten?
Kann dieses Geständnis auch zu einer Normalisierung der Verhältnisse führen? Wohl kaum.
Im Inneren bleibt alles beim Alten. Diejenigen, die den Befehl zum Abschuss dieser Passagiermaschine gaben, setzen ihren Kurs weiterhin fort.
Doch ohne Kassem Soleimani, den höchsten Kommandanten der Al-Quds-Brigaden, werden Ajatollah Khamenei und seine Revolutionsgarden es schwer haben, ihren regionalen Machtanspruch durchsetzen zu können. Die Islamische Republik birgt viele Überraschungen in sich. Man kann nur hoffen, dass sie künftig weniger Elend anfacht.
Mit freundlicher Genehmigung Iran Journal