Das ist wie eine Lizenz zum Gelddrucken für Banker. Gewinn wird so einfach, dass es selbst der dümmste Krawattenknopfträger mit HSG-Diplom kapiert. Geld von der EZB abholen, ein Prozent Zinsen zahlen, als Sicherheit ein Staatspapier hinterlegen, das nur noch die EZB akzeptiert, daran das x-fache an Zinsen verdienen, Geld zählen. Das Spielcasino namens Finanzsystem hat die Spielregeln geändert: Jeder Einsatz bringt einen Gewinn. Garantiert. Da Ökonomie keine Wissenschaft, sondern wildes Gerate ist, sind die Reaktionen der Gurus und Koryphäen wie immer widersprüchlich. Vom Beginn des Weltuntergangs mit galoppierender Inflation, bei Todesstrafe verbotener Staatsfinanzierung durch die EZB bis zu Hosianna-Gesängen und Lobpreisungen an Mario Draghi ist alles zu hören. Schön, dass wenigstens die Börsen, betrieben von Profis mit Supercomputern und ellenlangen Algorithmen, doch sicherlich einen Anhaltspunkt geben, wie das zu interpretieren ist. Nun, Bankaktien sind leicht gesunken. Obwohl Banken neu im Geld schwimmen. So viel zum Thema Börse als rationaler Gradmesser. Würfelnde Affen erzielen da eine bessere Trefferquote im Vorhersagen der Zukunft.
Ein kühner Plan
Nehmen wir doch einmal an, Draghi hat folgenden einfachen Plan. Statt ewigem Gebastel mit «freiwilligem» Schuldenverzicht, löchrigen Rettungsschirmen, IWF-Beteiligungen, gehebelten Rettungsfonds und monströsen Europäischen Stabilitätsmechanismen überschwemmt er den Finanzmarkt einfach mit Geld. Damit kauft er zu lumpigen Kursen bspw. griechische Staatsanleihen (die sind für 25 Prozent des Nennwerts zu haben). Damit das Spielchen funktioniert, verkündet er tapfer, dass die EZB keinesfalls und niemals alle Staatspapiere garantiere. Hat er genügend davon eingelagert, sagt er plötzlich: April, April, da wir schon beim Geldrausschmeissen sind, kaufen wir nun doch unbeschränkt alles auf, wo Staatsschulden draufsteht. Und schwups, die Papiere schnellen auf den Nominalwert zurück, die EZB muss die Zahlenkolonne deutlich verbreitern, in der ihr Ertrag verzeichnet wird.
Sauber rasiert
Damit haben dann alle Gläubiger, die in Panik zum Bruchteil des Werts verkauften (oder der Not gehorchend, wie bspw. Hedgefonds, die ihrer Nachschusspflicht nicht mehr nachkommen können und sich um jeden Preis von Staatstiteln trennen müssen), einen Schuh voll rausgezogen. Sie können zwar zetern und jammern, wurden aber völlig legal rasiert, verloren bis zu drei Viertel ihres Einsatzes. Dumm gelaufen für sie. Aber völlig regelkonform im Kapitalismus.
Und das Sahnehäubchen
Hat sich die Situation in einigen Monaten deutlich verbessert (oder verschlimmert), verkündet die EZB einen grosszügigen Forderungsverzicht auf Staatsschuldpapiere in ihrem Besitz, was sie sich angesichts dieser gigantischen Gewinne auch problemlos leisten kann. Kurz, schmerzlos, segensreich für alle am Staatsbankrott entlangtaumelnden europäischen Krisenstaaten. Das wäre eigentlich das Ei des Kolumbus, und man darf ja nicht vergessen, dass der auch Italiener war. Wie Draghi.
Funktioniert es auch?
Nun, die Liste der Bedenkenträgereien ist lang. Staatsschulden durch das Betätigen der Notenpresse zu regulieren, gilt als des Teufels und müsste nach allen Regeln der Lehrbücher in eine galoppierende Inflation führen. Deshalb ist das auch eigentlich strikt verboten. Da aber das Meiste, was in Lehrbüchern steht oder an unseren grossartigen Kaderschmieden für angehende Wirtschaftswissenschaftlern gelehrt wird, sich sowieso schon mehrfach als hanebüchener Unsinn erwiesen hat, muss uns das nicht schrecken. Ausserdem würde die EZB ja nicht (mehr) direkt Staatsschuldpapiere aufkaufen, sondern auf dem Sekundärmarkt. Wo sich bereits ein Erstinvestor die Finger daran verbrannt hat.
Was sind die Alternativen?
Eine weitere Antwort gibt die Analyse der übrigen Lösungsmodelle, die ja allesamt untauglich sind. Besser, als das Holger Schmieding, der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, in einem FAZ-Interview gesagt hat, kann man das nicht zusammenfassen: «Offenbar müssen wir erst alle anderen Optionen versuchen. Europa geht betteln in China, hebelt den Stabilisierungsfonds EFSF und wählt einen Umweg über den IWF. Mit Glück reicht das ja, um das Vertrauen der Welt zurückzugewinnen. Aber wetten würde ich darauf nicht. Erst wenn all das scheitert, wird die EZB ernsthaft eingreifen. Vor die Wahl gestellt, ein zuverlässiges Sicherheitsnetz zu spannen oder einen deflationären Kollaps zuzulassen, werden EZB und Bundesbank nachgeben. Ansonsten könnten erst der Euro und dann auch die deutsche Wirtschaft zusammenbrechen.»
Wenn, wenn, wenn
Wenn das der kühne Plan von Draghi ist, wenn er den durchzieht, wenn ihm keine Knüppel zwischen die Beine geschmissen werden, wenn die unendliche Irrationalität der Marktteilnehmer, Banker, Analysten und Anlageberater nicht dafür sorgt, dass plötzlich eine Stampede ausbricht, wenn nackte Angst, Misstrauen, Herdentrieb und andere in keiner ökonomischen Theorie vorkommenden Triebkräfte nicht für ein hübsches Chaos sorgen – wenn das alles nicht passiert, dann könnte es tatsächlich funktionieren. Sonst war es eine interessante Theorie, die Sie hier zum ersten Mal gelesen haben.