Dem mit denkmalgeschützten Gebäuden reichlich gesegneten Frankreich fehlt ganz offensichtlich das nötige Kleingeld in der Staatskasse, um die Vielzahl von Monumenten im Land auch entsprechend zu unterhalten. Also hat man vor einigen Jahren eine staatseigene Immobilienfirma gegründet mit dem unverfänglichen Namen „France Domaine“, welche die Aufgabe hat, historische Gebäude im staatlichen Besitz zu verkaufen oder, seit neuestem, auch langfristig zu vermieten.
Diese Firma hat unter anderem bereits drei geschichtsträchtige Pariser Stadthotels aus dem 17. und 18. Jahrhundert an Investoren aus Russland und dem mittleren Osten veräussert und im besonderen auch das Internationale Konferenzzentrum in der Avenue Kleber an einen Investmentfond aus Katar, welcher es ein Jahr später mit sattem Profit für 460 Millionen Euro wieder veräussert hat - nun entsteht hinter der Fassade ein 5 Sterne-Luxushotel. Paris aber hat plötzlich keine Möglichkeit mehr, eine grosse, internationale Konferenz zu organisieren, und wenn, wie im Grand Palais bei der Gründung der tot geborenen „Union für das Mittelmeer“, dann kostet die Organisation dutzende Millionen Euro.
Einst das königliche Möbellager
Im Angebot der staatlichen Immobilienfirma „France Domaine“ stehen zurzeit insgesamt 1‘700 Gebäude unterschiedlichster Epochen und Qualität zur Auswahl. Darunter eben auch, als wäre es ein ganz beliebiges Gebäude, das „Hotel de la Marine“ an der Pariser Place de la Concorde, angeboten als „Immeuble de Prestige et d’Exception“.
Es ist der östliche der beiden symetrischen Prachtbauten an der Concorde, die zur Seine und zum Parlament auf der anderen Seine-Seite blicken, getrennt durch die Rue Royale, die in die andere Richtung hinaufführt zur Madeleine. Der westliche Zwilling des "Hotel de la Marine" ist das Hotel Crillon.
Der Bau aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, mit seinen 24‘000 Quadratmetern Nutzfläche, mehr als 500 Räumen und seinem einzigartig konservierten Interieur, zu dem rund 700 kostbare Möbelstücke gehören, gilt in Frankreich als eines der 10 bedeutendsten Prunkstücke des architektonischen Kulturerbes. Anfangs diente der Bau als königliches Möbellager, seit 1789 war er fast durchgehend der Sitz des Generalstabs der Marine.
Dieser Generalstab wird im Jahr 2014 den historischen Bau an der Concorde verlassen, vor dem während der Französischen Revolution die Guillotine stand. Hier rollten die Köpfe von Ludwig XVI. und Marie Antoinette. 1848 wurde im Gebäude das Dekret zur Abschaffung der Sklaverei unterzeichnet. Und unter dem Innenhof befindet sich ein Bunker, den die Franzosen jener Zeit zu verdanken haben, als auf dem Dach des Gebäudes nicht die Trikolore, sondern die Hakenkreuzfahne wehte.
"Ärgerlich und kurzsichtig""
Natürlich ist das „Hotel de la Marine“ als historisches Monument ausgewiesen und darf von daher nicht verkauft werden. Es soll nun allerdings, durch die Hintertür, privatisiert werden, indem man es, auf Teufel komm raus, langfristig an private Investoren zu vermieten versucht.
Denn mitten im vergangenen Sommer, als das Land in den Ferien döste, wurde im Parlament ein Gesetz verabschiedet, das es dem Staat ermöglicht, Mietverträge ohne besonders zwingende Auflagen abzuschliessen, um sich der historischen Monumente de facto zu entledigen und sie Privatinvestoren zu überlassen, mit Mietverträgen über eine Dauer von 30 bis 80 Jahren. Investoren, die gehalten sind, die Gebäude zu renovieren und sie, auch durch kommerzielle Nutzung, wie es heisst, „wieder zum Leben zu erwecken“.
Als einer der ersten hatte Ex-Präsident Valéry Giscard d’Estaing warnend den Zeigefinger erhoben. Jetzt hat auch Ex-Premier Edouard Balladur zur Feder gegriffen, und, standesgemäss im Figaro, gewarnt, der Staat dürfe sich nicht auf diese Art und Weise aus der Verantwortung stehlen. Die Tendenz, Monumente des französischen Kulturgutes an Privatleute und oft an Ausländer zu verkaufen, sei ärgerlich und kurzsichtig, vor allem aber kein besonders glückliches Symbol.
Ein Kommzerztempel hinter alten Fassaden
Fast gleichzeitig haben sieben der namhaftesten Historiker des Landes in einem offenen Brief an Nicolas Sarkozy appelliert, das „Hotel de la Marine“ zu retten. „Wer immer“, so schreiben sie, „auch nur ein letztes Quäntchen Respekt empfindet für die nationale Vergangenheit und für Mauern, welche mit Symbolen und einer Geschichte beladen sind, die jeden Franzosen etwas angehen, der muss einfach empört sein, dass das „Hotel de la Marine“ an der Place de la Concorde ohne jeden Protest an eine internationale Finanzgruppe veräussert wird, damit man, hinter nicht veränderten Fassaden, einen Kommerztempel und ein paar Luxussuiten einrichten kann.“
Was im konkreten Fall die Kritiker besonders empört ist die Tatsache, dass alles arrangiert schien und so weit wie möglich geheim gehalten wurde, damit ein gewisser Alexandre Allard, ein 40jähriger Geschäftsmann, der im Internet-Business Millionen gemacht hat, den Zuschlag bekommt. Nicht zufällig ist der junge Mann Staatspräsident Sarkozy bestens bekannt. Er hatte ihn im Wahlkampf tatkräftig unterstützt und für sein Projekt jetzt den ehemaligen Kulturminister Renauld Donnedieu de Vabres engagiert. Von dem heisst es, er habe das beste Adressbuch Frankreichs und könne Gott und die Welt bewegen.
Mit Jean Nouvel und Philippe Starck
Kein Zufall, dass eben dieser Donnedieu de Vabres schon vor 17 Jahren bei der dunklen Affäre um den Verkauf von drei Fregatten an Pakistan und der Zahlung von Dutzenden Millionen an Kommissionen und Retrokommissionen, damals als Kabinettschef im Verteidigungsministerium, an vorderster Front stand.
Neben einem ehemaligen Kulturminister hat der smarte Alexandre Allard aber natürlich auch den Stararchitekten Jean Nouvel und, hinsichtlich des Interieurs, Philippe Starck mit im Boot, und zwar für ein Projekt, welches Kunstauktionshäuser, Künstlerresidenzen, sowie eine Reihe von Luxussuiten und Luxusboutiquen vorsieht. Alexandre Allard spricht, alles andere als bescheiden, davon, aus dem Gebäude
einen Ort für Kunst und Kreation machen zu wollen, mit dem Ziel, dass Paris wieder die Welthauptstadt des künstlerischen Schaffens wird. Dafür sei er bereit - wahrscheinlich mit Hilfe eines Investment-Fonds aus Katar – 200 Millionen Euro für Umbauarbeiten zu investieren.
Die immer lauter und zahlreicher werdenden Kritiker dieses relativ schamlosen Versuchs der Kommerzialisierung und Privatisierung von nationalem Kulturgut, appellieren inzwischen auch an den gesunden Menschenverstand.
Denn schliesslich gibt es das von Präsident Sarkzoy betriebene, nach wie vor höchst umstrittene Projekt, in Paris ein „Haus der französischen Geschichte“ zu schaffen. Warum, so fragen sie, soll dieses Museum in den ehemaligen Nationalarchiven im Marais-Viertel untergebracht werden, wo dort das gesamte Personal jetzt schon gegen das Projekt streikt, anstatt hier, im 2014 frei werdenden „Hotel de la Marine“, einem geschichtsträchtigen Ort par excellence?
Immerhin: die Proteste gegen den Umgang mit einem architektonischen Juwel und einem Stück französischem Kulturgut haben bislang zumindest dazu geführt, dass die Ausschreibungsfrist für einzureichende Projekte, die mit nur 6 Wochen verdächtig knapp war, bis zum 7. Februar um 3 Wochen verlängert wurde. Doch die Kritiker wollen die Möglichkeit der langfristigen Vermietung von historischen Monumenten generell zu Fall bringen.
Denn wenn dieses Projekt an der Place de la Concorde nicht verhindert wird, so sagen sie, gibt es keinen Grund, dass eines Tages mit dem Mont Saint-Michel oder mit dem Schloss in Versailles nicht dasselbe passiert.