Auch in Sachen Verschwörungstheorien ist Amerika das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die jüngste wilde Vermutung betrifft den US-Präsidenten, einen Popstar, einen Sporthelden und ein Football-Spiel.
Es ist, will einer in den USA der konservativen Rechten glauben, ein grösstes anzunehmendes Unglück – eine finstere Verschwörung, die Taylor Swift, den weltweit beliebtesten Pop-Star, Travis Kelce, den besten Footballer auf seiner Position, die Super Bowl, das populärste Sportereignis des Landes und Joe Biden, den Amtsinhaber im Weissen Haus betrifft. Es ist ein angeblich diabolischer Plan, wie ihn nur Amerikas Deep State aushecken kann, den zu zerstören Donald Trump seiner Wählerschaft wiederholt versprochen hat.
Psychologische Kriegsführung des Pentagon?
Und was verbindet all diese prominenten Akteure? Die Sängerin Taylor Swift, deren weltweite Eras-Konzerttournee seit März 2023 über eine Milliarde Dollar eingespielt hat, ist seit geraumer Zeit mit Travis Kelce, einem Football-Spieler der Kansas City Chiefs, romantisch liiert. Swift hat Spiele der Chiefs besucht und war am letzten Sonntag auch beim Finalspiel der American Football League im Stadion, das dem Team aus Missouri den Einzug in die Super Bowl, das Entscheidungsspiel um die nationale Meisterschaft, bescherte.
Taylor Swift, laut «TIME» 2023 «Person of the Year», dürfte am 11. Februar in Las Vegas erneut in einer VIP-Loge sitzen, falls es ihr gelingt, rechtzeitig von einem Konzert in Tokio am Tag zuvor in die USA zurückzufliegen. Swift und Kelce in der Super Bowl LVIII und ein Sieg der Chiefs: Es wäre, wie es heisst, «a match made in heaven», ein Zusammentreffen, wie es sich Marketingmanager und die Fernseh-Verantwortlichen von CBS schöner – und profitabler – nicht vorstellen können. Dank Swift würden wohl mehr Amerikanerinnen als sonst am Bildschirm zuschauen, auch wenn der Pop-Star in den letzten Spielen im Schnitt jeweils nur während etwas mehr als 32 Sekunden zu sehen war. Für die Super Bowl rechnen Optimisten mit einem Fernsehpublikum von bis zu 120 Millionen.
Obwohl American Football und die Super Bowl zu den letzten Dingen gehören, welche die Bürgerinnen und Bürger des Landes für ein paar Stunden die Spaltung ihrer Gesellschaft vergessen lassen, beflügelt die Romanze zwischen Taylor Swift und Travis Kelce die Phantasie der Insassen des MAGA-Camps ungemein. Sie vermuten hinter der Liaison ein «Psy-Op» (psychologische Kriegsführung) des Pentagon, ein finsteres Vorhaben der National Football League und/oder der Demokraten, die Kansas City Chiefs Meister werden zu lassen, Dies, um einerseits die TV-Einschaltquoten in astronomische Höhen zu treiben und anderseits Taylor Swift, die 2018 und 2020 für die Demokraten stimmte, zu erlauben, Wahlwerbung für Joe Biden zu machen – im schlimmsten Fall auf dem Spielfeld nach dem Sieg ihres Freundes.
Satanische Pläne
Zwar hat sich die Sängerin bisher mit keinem Wort zu den diesjährigen Wahlen verlauten lassen. MAGA-Camper aber vergessen eine frühere Aufforderung an ihre Fans nicht, wählen zu gehen. Für den konservativen Fernsehsender Fox News ist Swift eine Agentin des Pentagon, was das US-Verteidigungsministerium entschieden dementiert. «Realisiert Taylor, dass dieser Kerl, den sie den Demokraten zuliebe unterstützen soll, ein stolperndes, stotterndes Durcheinander ist?», fragte Moderator Sean Hannity, ein eingefleischter Trump-Anhänger, zur besten Sendezeit.
Derweil warf eine Fox-Kommentatorin Taylor Swift vor, über Klimawandel zu sprechen und gleichzeitig mit einem Privatjet zu fliegen – dies auf einem Sender, dessen Interviewgäste die Erderwärmung sonst gern zu verneinen pflegen. Ein republikanischer Politiker in Georgia verstieg sich gar zur Behauptung, Swift verhexe die Jugend und ihr Einfluss sei dämonisch, böse und luziferisch: «Natürlich will Satan sie jetzt dazu missbrauchen, um Joe (Biden) erneut ins Weisse Haus zu wählen, damit er zerstören kann, was von Amerika noch übriggeblieben ist.»
279 Millionen Taylor-Swift-Followers
Kein Zweifel, Joe Biden und die demokratische Partei würden es begrüssen, wenn sich Taylor Swift mit ihren 279 Millionen Followern auf Instagram für den Präsidenten aussprechen sollte – nicht zuletzt aufgrund des Umstands, dass der 81-jährige Biden Probleme hat, junge Wählerinnen und Wähler anzusprechen, unter denen sich viele Swift-Fans befinden. «Alles, was die Swifties wollen, ist eine rasche Abtreibung», warnt indes Charlie Kirk, der die Trump-freundliche Jugendorganisation «Turning Point USA» anführt.
Ein Kollege Kirks behauptet, der «New York Times» zufolge arbeite das Weisse Haus an einer «Taylor-Strategie», was die Zeitung aber nie berichtet hat. In ihren Kommentarspalten ist die Liaison sehr wohl seziert worden. Eigentlich, hiess es da, müssten Konservative die Romanze Swift-Kelce begrüssen, weil sie ihren traditionellen Vorstellungen von heterosexueller Liebe zwischen einem starken, bärtigen Mann und einer schönen, blonden Frau entspreche. Was ihnen vielleicht nicht passe, sei der Umstand, dass die Frau reicher und bekannter sei als der Mann und er zudem ihre Karriere respektiere.
Nicht nach dem Geschmack der Republikaner
Taylor Swift selbst hat in sozialen Medien geschrieben, sie werde wie bisher jene Kandidaten wählen, die für die Menschenrechte kämpften und diese beschützten, jene Rechte, die alle in Amerika verdienen würden: «Ich glaube an den Kampf für LGBTQ-Rechte und daran, dass jegliche Form von Diskriminierung, die auf einer sexuellen Orientierung oder einem Geschlecht basiert, FALSCH ist.» Sie glaube, dass der systematische Rassismus, der gegenüber Menschen anderer Hautfarbe im Lande nach wie vor grassiere, «erschreckend ekelerregend und weit verbreitet» sei. Es ist ein Bekenntnis, das nicht gerade der Wahlplattform der republikanischen Partei entspricht.
Donald Trump selbst hat sich zur ganzen Kontroverse um Swelce» öffentlich noch nicht geäussert. Laut «Rolling Stone» hat er privat festgestellt, er sei populärer als Taylor Swift. Einer Umfrage von «Newsweek» zufolge sagen 18 Prozent amerikanischer Wählerinnen und Wähler, sie würden am 5. November wahrscheinlicher für jenen Kandidaten stimmen, den die Sängerin empfiehlt. Das hat sie 2018 bereits in Tennessee im Fall des demokratischen Senatskandidaten Phil Bredesen getan. Der frühere Gouverneur verlor die Wahl zweistellig.