Der 61-Jährige ist seinen volkstümlichen Auftritten zum Trotz ein gewiefter Politiker und Stratege, der in seiner bisherigen Laufbahn noch nie eine Wahl verloren hat. Würde Perry 2012 Präsident, wäre es sein elfter Sieg in Folge.
Wenn sie Rick Perry sehen, mit Cowboy-Hut und in Cowboy-Stiefeln, und ihn reden hören, mit seinem Texas „Twang“, fühlen sich nicht wenige Amerikaner an einen Präsidenten erinnert, der einst ebenfalls Gouverneur von Texas war. Und der das Motto des zweitgrössten US-Staates - „Don’t mess with Texas“ – Leg’ dich nicht mit Texas an – ebenso verinnerlicht hatte: George W. Bush, der nach 9/11 zwei kostspielige Kriege anzettelte, Wall Street ungehindert pokern liess und der Nation ausser dem Krieg gegen den Terror einen riesigen Schuldenberg hinterliess.
Bush spielte Cowboy, Perry ist einer
Doch ausser Herkunft und Sprache gibt es kaum Parallelen zwischen beiden texanischen Politikern. Die Familie Bush, die ursprünglich an der Ostküste beheimatet war und vom Habitus her aristokratisch ist, mag Rick Perry, der aus dem Kaff Paint Creek in West-Texas stammt, nicht sonderlich. Anders als Bush, der stets von seinem Status als Sprössling einer einflussreichen Familie profitiert hat, ist Perry, dessen Vater ein einfacher Farmer war, selfmade und entsprechend hungrig. „Wir waren reich“, hat Perry einem Interviewer des „Texas Monthly“ erzählt, „aber nicht in materiellen Dingen. Ich hatte meilenweit Weiden, ein Shetland-Pony und einen Hund. Ich habe einen Haufen Zeit ganz allein mit meinem Hund verbracht. Viel Zeit.“
Der Gouverneur in Austin ist auch schon als „gedopter Bush“ („Bush on steroids“) beschrieben worden, d.h. er ist härter, zupackender und lauter, als es sein Vorgänger war. Bush spielte den Cowboy, Perry ist einer. Rick Perry selbst, auf Unterschiede zwischen ihm und dem früheren Präsidenten angesprochen, sagte einst: „Ich habe an der Texas A & M (einer auf Landwirtschaft, Ingenieurwesen und Militär spezialisieren Hochschule) studiert, George W. Bush war in (der liberalen Eliteuniversität) Yale.“
Fromm und gottesfürchtig
Und Perry war einst sogar, was Bush mit Sicherheit nie war: ein Demokrat. Noch 1988 hatte er im Präsidentschaftswahlkampf Al Gore unterstützt. Doch der kandidierte damals noch als konservativer Südstaatler und nicht als liberaler Reformer, als der er im Jahr 2000 antrat. Auf jeden Fall ist George W. Bush aus Rick Perrys Sicht nie konservativ und unabhängig genug gewesen, d.h. Bush sparte zu wenig und gab zu viel aus. Fromm und gottesfürchtig hingegen sind sie beide. Als Perry Anfang August zu einem Gebets- und Fastentreffen in Houston rief, strömten nicht weniger als 30 000 Gläubige ins Reliant-Stadion, um während sieben Stunden zu beten und zu bitten. Nur mit dem Fasten klappte es nicht so recht: Vor den Imbissbuden des riesigen Stadions sollen sich lange Schlangen gebildet haben.
Wie Bush hat Perry auch heute noch ein Herz für Hunde - so sehr, dass er eines frühen Morgens im April 2010 beim Joggen, als er ohne Bodyguards auf einem abgelegenen Pfad unterwegs war, einen Kojoten erschoss, der Anstalten machte, den Labrador seiner Tochter anzugreifen. Den Medien gegenüber gab der Gouverneur an, er trage beim Laufen stets verdeckt eine Pistole des Typs Ruger mit Laservisier auf sich, weil er sich vor Schlangen fürchte. Perry liess damals den Kojoten liegen, wo er gefallen war: „Er wurde Dünger.“ Die augenzwinkernde Botschaft des Gouverneurs: „Greif meinen Hund nicht an oder du wirst unter Umständen erschossen …falls du ein Kojote bist.“
Lieber gefürchtet als geliebt
Politisch hat Perry die ungewöhnliche Jagdepisode in Texas nicht geschadet – im Gegenteil. Sie stärkte sein Image als entschlossenen Mann der Tat. Entgegen seinem Übernamen „Governor Goodhair“, den er seinem stets akribisch frisierten Haupthaar verdankt, sei Rick Perry aber alles andere als eine wandelnde Shampoo-Reklame, sagt der texanische Journalist Paul Burka: „Perry ist ein harter Mann. Er ist einer jener Politiker, die lieber gefürchtet als geliebt oder respektiert werden.“ Indes haben in Texas wiederholt Gerüchte die Runde gemacht, wonach der Gouverneur homosexuell sei – Behauptungen, die sein Lager als üble Feindpropaganda einstuft.
Unbestritten aber ist, dass unter keinem anderen Gouverneur in den USA so viele Todesurteile vollstreckt worden sind wie unter Rick Perry. In den elf Jahren seiner Amtszeit sind in Texas 234 Menschen hingerichtet worden, wobei diese Zahl zum einen mit der Länge der Amtszeit und der Grösse des Staates (rund 25 Millionen Einwohner), zum andern aber auch mit seinem politischen Temperament zu tun hat. So hat Perry sein Veto gegen ein Gesetz eingelegt, das geistig Behinderten die Todesstrafe erspart hätte, und er hat ein Urteil des Obersten Gerichts in Washington kritisiert, wonach Minderjährige nicht exekutiert werden dürfen.
Romney in die Mikrowelle
Rick Perrys Härte und Unversöhnlichkeit werden nun wohl auch seine republikanischen Mitbewerber zu spüren kriegen. Der 61-Jährige ist ein Politiker, der in Wahlkämpfen kein Blatt vor den Mund nimmt und nicht lange zögert, wenn er bei einem Konkurrenten eine Schwachstelle entdeckt zu haben glaubt. Obwohl er seine Kandidatur erst relativ spät angekündigt hat, ist es ihm dank pointierter Äusserungen (er nannte zum Beispiel US-Notenbankchef Ben Bernanke „einen Verräter“) bereits gelungen, etliche Leute selbst innerhalb der eigenen Partei zu irritieren – und damit Schlagzeilen zu machen. Wobei das Medienecho wiederum seine Stellung am rechten Rand des politischen Spektrums stärkt, nicht zuletzt unter den konservativen Anhängern der Tea Party, zu deren Sympathisanten Perry von Anfang an gehört hat.
Noch ist allerdings Mitt Romney, der reiche Geschäftsmann und Ex-Gouverneur von Massachusetts, Favorit des republikanischen Establishments. Doch dessen Status ist einem erfahrenen Polit-Strategen zufolge alles andere als unantastbar: „Ich glaube, er wird Romney in den Microwave stecken und den Schalter hochdrehen“, sagt Mark McKinnon, der einst Präsident George W. Bush beraten hat: „Romney hat die Hitze bisher vermieden, aber mit Perrys Eintritt ins Rennen ist es damit vorbei.“
Unter anderem dürfte Perry daran erinnern, dass Massachusetts am Ende von Romneys Amtszeit punkto Schaffung von Arbeitsplätzen auf Platz 47 unter allen US-Staaten rangierte, während Texas in den vergangenen zwei Jahren 40 Prozent aller Arbeitsplätze landesweit kreiert hat. Derweil beschreibt ein texanischer Demokrat den Wahlkampfstil des Gouverneurs wie folgt: „Wenn er dich in einem TV-Spot attackiert, dann ist er wie ein Mafia-Pate: Er meint es nie persönlich, sondern immer nur rein geschäftlich.“
Wie alt ist die Erde?
Fragt sich nur, wie gut Rick Perrys Person und Stil ausserhalb von Texas unter unabhängigen oder unentschiedenen Wählern ankommen, ein Segment, das auch 2012 das Rennen um den Einzug ins Weisse Haus entscheiden dürfte. Ein Handicap, meinen Polit-Strategen, könnte der Umstand sein, dass viele Amerikaner den Texaner als eine Art Bush-Kopie wahrnehmen, obwohl er das in Realität nicht ist. Andere verweisen darauf, dass sich Perry in seinen Wahlkämpfen in Texas bisher allein auf die republikanische Basis und auf konservative Unabhängige abgestützt habe. Um national Erfolg zu haben, so glauben sie, müsse er seine Anziehungskraft vergrösssern können, d.h. sich etwas weniger konservativ und dafür sozialer geben, ohne seine ursprüngliche Basis vor den Kopf zu stossen.
So behauptet Perry zum Beispiel, die Erderwärmung sei lediglich ein Täuschungsmanöver von Wissenschaftlern, um an Forschungsgelder zu kommen – eine Aussage, die ihm seitens der „Fact Checker“-Kolumne der „Washington Post“ seltene „Vier Pinocchios“ eintrug. Der Gouverneur glaubt ferner auch nicht an die Evolutionstheorie und hat unlängst einen Neunjährigen in New Hampshire wissen lassen, niemand wisse wohl genau, wie alt die Erde sei. Und wie seine Konkurrentin Michele Bachmann pflegt auch Rick Perry Kontakte zu fundamentalistischen Christen, die der These des „Dominionismus“ anhängen, wonach Christen ein von Gott gegebenes Recht haben, die Erde zu regieren.
Ein Kommentator von CNN, der früher für die republikanische Partei arbeitete, hat unlängst prognostiziert, Gouverneur Perry werde 2012 seine Mitbewerber entweder „wie eine Dampfwalze überrollen“ oder „sich selbst abfackeln“. Erst einmal wird sich der Texaner am 7. September in der Reagan-Bibliothek in Kalifornien in einer ersten von drei geplanten Fernsehdebatten mit seinen Konkurrenten messen – gemäss der guten, alten Steigerungsform Freund, Feind, Parteifreund.