Hans Baumgartner lebte von 1937 bis 1993 in Steckborn am Untersee. Er war ein Chronist mit der Kamera. Es ist nicht nur der Charme des zeitlichen Abstandes, die seinen Bildern auch heute noch die Faszination verleihen. Vielmehr spürt man die Anteilnahme des Fotografen, der mit Sorgfalt und grossem Können ans Werk ging. Zu jeder seiner insgesamt etwa 120.000 Aufnahmen notierte er Ort und Zeit und die technischen Daten.
Die hohe Wertschätzung für ihn kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass sich ganz unterschiedliche Institutionen zusammengefunden haben, um an verschiedenen Orten seine Bilder zu zeigen. Einen Überblick bietet die Website www.baumgartner-feiern.ch. Dazu gibt es einen Katalog, der von der Stiftung Turmhof und von der Fotostiftung Schweiz herausgegeben worden ist.
Darin beschreibt der Publizist Alex Bänninger anschaulich und analytisch scharfsinnig Leben und Werk Baumgartners. Anders als man spontan annehmen würde, war Hans Baumgartner ein Nonkonformist und ein Einzelgänger. Als Lehrer verweigerte er sich dem Anzug mit Krawatte und in seinem Unterricht versuchte er, durch die Anordnung der Tische in Hufeisenform einen direkteren Kontakt zu seinen Schülern herzustellen.
Seine Arbeit als Sekundarlehrer in Steckborn und später als Biologielehrer an der Vorschule für Pflegeberufe in Frauenfeld bot ihm die materielle Lebensgrundlage. Aber schon in den 30er Jahren konnte er in der Zürcher Illustrierten Bilder und Reportagen veröffentlichen. Es folgten Veröffentlichungen in Der Schweizer Spiegel, Die Schweiz, Föhn, Camera, Du sowie in der Thurgauer Zeitung und der Neuen Zürcher Zeitung. 1986 zeichnete ihn der Kanton Thurgau mit dem Kulurpreis aus, und 1991 erhielt Hans Baumgartner das Ehrenbürgerrecht Steckborns.
So heimatverbunden Baumgartner auch war, so sehr trieb ihn seine Neugier in die Welt hinaus. Er bereiste Amerika, Asien und gehört wohl zu den ersten Fotografen, die sich die Sahara zum Thema machten. Und im Staatsarchiv des Kantons Thurgau finden sich auch farbige Bilder Baumgartners. Dominierend aber ist die teilweise betörende Schönheit seiner Schwarz-Weiss-Fotos.
Für den Katalog sind die Herausgeber neue Wege gegangen. Drei junge Fotografen, die dem Thurgau verbunden sind, wurden mit fotografischen Essays beauftragt. Wie Martin Gasser von der Fotostiftung Schweiz darlegt, bestand die „einzige konkrete Vorgabe“ darin, dass die Bilder in Steckborn selbst aufzunehmen waren. Ein Bezug zum Werk Hans Baumgartners war nicht gefordert.
So hat sich die Fotografin Judith Stadler die Jugendlichen von Steckborn zum Thema gemacht, Roland Iselin hat Schüler porträtiert, und Christian Schwager hat im Museum im Turmhof Steckborn Objekte fotografiert, die er „durch eine klassische fotografische Retouchearbeit“ aus ihrer Umgebung hervorgehoben hat.
Das Bestreben, jüngere Fotografen zu fördern und ihnen einen Platz neben Hans Baumgartner zu geben, geht allerdings auf Kosten seiner Bilder. Man sieht davon einfach zu wenig in dem Katalog. Auf der Website www.baumgartner-feiern.ch findet man mehr Bilder von ihm und übrigens auch in der Online-Sammlung der Fotostiftung Schweiz. Es ist zu wünschen, dass einmal eine Gesamtausgabe der bislang nur verstreut publizierten Arbeiten Baumgartners herausgebracht wird. Nachgefragt würde sie ganz gewiss.