Die Konservativen werden 273 Sitze gewinnen, meldete noch am Donnerstag, dem Wahltag, das Meinungsforschungsinstitut IMC. Eine allerletzte Umfrage habe dies ergeben. Am Freitag stand fest: Die Konservativen gewinnen fast 60 Sitze mehr als vorausgesagt, nämlich 331.
Haarscharf daneben?
Noch am Donnerstag meldete das "Lord Ashcroft“-Institut, beide Parteien würde etwa gleich viele Sitze erobern. Die Tories eroberten fast 100 Sitze mehr als Labour.
Haarscharf daneben?
Alle Institute schlossen kategorisch aus, dass eine Partei die absolute Mehrheit erhält: Cameron und den Konservativen gelang es relativ komfortabel, diese Mehrheit zu erlangen.
Eine weitere IMC-Umfrage gab den Liberalen 27 Sitze. Sie kamen schliesslich auf 8.
Auch das Institut Ipsos Mori sprach am Mittag des Wahltags noch von einem Patt.
Alle Institute waren sich einig, dass Labour in den letzten Tagen nochmals stark zugelegt habe. Ed Miliband, der Labour-Führer, habe zu den Konservativen aufgeschlossen oder sie gar überholt.
Das Gegenteil ist eingetreten. Der Krebsgang von Labour hatte längst begonnen. Die Partei erlitt eine saftige, unerwartete Niederlage.
Seit Wochen hämmerten die Institute dem Volk das Patt ein. Das färbte sich auf die Berichterstattung ab. Alle Medien fabulierten von „hung parliament“, „tumultuösen Tagen, die bevorstehen“ (NZZ), „baldigen Neuwahlen“, von einer „Schlappe für Cameron“, von „Minderheitsregierung“ und „Allianz mit dem Teufel Ukip“, von „unregierbarem Land“.
Es kam ganz anders. Im Gegensatz zur Wahl vor fünf Jahren hat das Vereinigte Königreich wieder eine recht stabile Regierung. Cameron kann komfortabel allein regieren; er braucht nicht mehr wie 2010 einen Koalitionspartner.
Der Ausgang der Wahlen in Grossbritannien und Nordirland ist ein nicht wegzudiskutierendes Desaster für alle britischen Meinungsforschungsinstitute. Man lag nicht haarscharf daneben, nicht knapp daneben, nicht ein bisschen oder ein bisschen viel daneben. Man lag total daneben.
Wie kommt es, dass über Wochen renommierte, grosse, gutbezahlte Institute derart versagen?
Dieses Versagen ist um so erstaunlicher, als das britische Wahlrecht relativ einfach ist. Voraussagen sollten für professionelle Institute deshalb mehr oder weniger machbar sein. In den 650 Wahlkreisen gewinnt immer nur einer, jener, der am meisten Stimmen erhält.
Im Vergleich dazu, ist das schweizerische Wahlrecht geradezu ein verschlungenes, kompliziertes Konstrukt.
Wenn aber Claude Longchamp, unser aller Schweizer Meinungsforscher, bei Wahlen oder Abstimmungen einmal daneben liegt, geht das grosse Halali los. Chefredaktoren und Ressortleiter greifen dann in die Tasten und sind nicht mehr zu halten. „Unfähiger Monopolist“.
Zwar lag Claude Longchamp manchmal daneben, (manchmal auch klar: Minarettinitiative) das liegt in der Natur der Sache, doch er liegt – vor allem auch bei Wahlen nicht - nie in dem grotesken Ausmass daneben wie die britischen Wahlforscher.
Im Gegensatz zu den Briten ist Claude Longchamp geradezu ein Held der Wahlforschung.