Es sei gestattet, den Begriff Schattenwelt zu entlehnen – hier als Bezeichnung für den von uns Normalmenschen unsichtbaren Teil der global verbreiteten Grossbanken-Sphäre. Diese hat den Zauberglanz verloren und an Kredit eingebüsst. Die Credit Suisse.
Explodierende Lohnsumme für Top Kader
Es ist nicht neu. In den Top-Etagen der CS und der UBS gilt eine Fake-Normalität. Losgelöst von Geschäftsgang und Aktienkurs kassieren die beiden CEO-Übermenschen seit Jahren jährliche Vergütungen von je 12 bis 14 Millionen Franken. Eine Hierarchiestufe weiter unten müssen sich die bedauernswerten «Key Risk Takers» (es dürften gemäss NZZ am Sonntag deren 1700 sein) mit bescheidenen durchschnittlichen 1,7 Millionen Franken jährlich begnügen. Gesamthaft explodierten die jährlichen Lohnsummen dieser Top Kader bei der CS – immer gemäss derselben Quelle – innert sieben Jahren (2011–2018) von 900 Millionen Franken auf 1,6 Milliarden Franken.
Nur schon diese banale Feststellung erhärtet die Tatsache, dass hier eine abgehobene Schicht von Geldgenies am Werk sein muss. Diese missbraucht den Finanzplatz Schweiz als Startbahn zum persönlichen Höhenflug. Der intern sorgfältig gepflegte Starkult bei der CS liess es zu, dass allein in der Schweizer Konzernzentrale innerhalb dreier Jahre 1600 Stellen abgebaut wurden. Die betroffenen Schicksale wurden einer höheren Rentabilität geopfert.
Klägliches Geschäftsprinzip
Seit Jahren kann man in den Medien nachlesen, wann, wo und wieviel an Bussengeldern die beiden Grossbanken inzwischen weltweit bezahlen mussten. Normalbürgerinnen und -bürger schämen sich eher, wenn bekannt wird, dass sie wegen illegalem Verhalten gebüsst wurden. Es hängt dies wohl mit einem tief verankerten Wissen um Recht und Unrecht zusammen.
Innert rund 10 Jahren – seit der Finanzkrise – haben die beiden Grossbanken satte 26 Milliarden Franken für Bussen und Rechtshändel bezahlt. Doch dies ist keinesfalls das Ende der Statistik. Wie wir wissen, schwebt über der UBS eine Strafzahlung im Steuerstreit mit Frankreich («The Market»). Wie das, mögen sich viele fragen? Anstiftung zur Steuerhinterziehung (Erinnerungen an das sagenhafte Schweizer Bankgeheimnis werden wach), Korruptionsfälle, strafbarer Verkauf von Ramschhypotheken, Manipulation von Zins- und Devisengeschäften, die Liste wird von Jahr zu Jahr länger.
Und irgendwie scheint es fast, als würden die stetig und zuverlässig steigenden Bussenzahlungen als Parallele für die ebenso regelmässig steigenden Bezüge der Topkader missinterpretiert. Damit die Lohnkasse der Chefs gefüllt bleibt, erhöhen die beiden Grossbanken in regelmässigen Abständen ihre Gebühren. Gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) sind sie innerhalb der letzten 20 Jahren um mehr als 80 Prozent gestiegen, während im gleichen Zeitraum die Lebenskosten um 8,2 Prozent gestiegen sind …
Gift für die Glaubwürdigkeit der Demokratie
Eine Clique von Machtmenschen schwebt über dem gutbürgerlichen Schweizer Alltag. Sie hält sich für etwas Besseres. Dass sie für die Erfüllung ihres täglichen Jobs auf Kosten der eigenen Aktionäre völlig ungerechtfertigte Vergütungen bezieht, akzeptiert sie im Wissen um ihre Einmaligkeit. Doch genau diese Einstellung hat ausserhalb ihrer Schattenwelt grosse Konsequenzen, die von diesen Alphatieren weder wahrgenommen noch verstanden werden.
Zum besseren Verständnis was gemeint ist, sei hier wiederholt, was der grosse alte Mann Mario Vargas Llosa, Nobelpreisträger für Literatur und begnadeter Erzähler (und erfolgloser Politiker) 2018 in einem Interview in der NZZ sagte: «Was wir erleben, ist eine echte Krise der Demokratie.» Er ist überzeugt, dass in unseren etablierten Demokratien die sozialen und ökonomischen Unterschiede, welche die Bevölkerung registriert, respektive der Umstand, dass diese als ungerecht empfunden werden, der Enttäuschung des Volkes zu Grunde liegt. «Diese Enttäuschung mündet in eine tiefe skeptische Haltung gegenüber der herrschenden Ordnung und damit wird sie anfällig für die verführerischen Angebote der Populisten.»
Wer sind die Hauptverantwortlichen?
In den letzten Jahren ist es Mode geworden, die vermeintlich steigende Ungleichheit zwischen Arm und Reich anzuprangern. Vor allem Thomas Piketty stösst mit seinen Theorien «noch nie war die Ungleichheit grösser» auf offene Ohren und schürt damit die sich immer weiter polarisierende Politlandschaft. (Natürlich war die Ungleichheit in früheren Jahrhunderten zum Teil wesentlich grösser.)
Geht man der Sache auf den Grund, findet man bald einmal heraus, dass es zwar tatsächlich eine Öffnung der Vermögens- und Einkommensschere gibt, dass aber dafür eine relativ sehr kleine Minderheit an Superreichen hauptverantwortlich ist. Diese Minderheit setzt sich primär aus den Gründern der phänomenal erfolgreichen Weltkonzerne Amazon, Facebook, Google, Microsoft etc. und – eben – aus Top-Bankern zusammen. Im Unterschied zu den cleveren Firmengründern sind letztere simple Angestellte.
So gesehen, schadet zwar diese helvetische Beschattungsposse der Finanzbranche, die Folgen draussen im Volk sind jedoch viel gravierender. Das Gebaren dieser Big Players in der Finanzwelt hat Auswirkungen auf das Verhalten, auf die Einstellung zur Demokratie grosser Teile der Bevölkerung. Das ist bedenklich.