Brennende Ölanlagen in Saudi-Arabien und iranische Verantwortung, Donald Trump und ein mögliches Kriegsszenario: Was sagt man, wie verhält man sich dazu? Schweigen, Dementieren oder Drohen, alles gehört aufseiten der iranischen Politik zum Repertoire, je nach der Rolle, die man hat. Ist man Revolutionsführer und verantwortlich für alles, was im Iran und drumherum geschieht, dann ist es angebracht zu schweigen. Als Freitagsprediger, Aussenminister oder Revolutionsgardist aber muss man reden. Hört man genau hin, erkennt man sowohl ängstliche Stimmen gegenüber der kommenden Katastrophe wie auch eine Kriegsstrategie, die eine innere Logik hat und auf einem gewissen Realitätssinn fusst.
Er schweigt. Und es ist ein beredtes und inhaltsreiches Schweigen. Dabei hat Ali Khamenei in den letzten Tagen viel geredet, über verschiedene Themen und zu wichtigen und weniger wichtigen Anlässen. Doch über den Jemen, Saudi-Arabien, den US-Präsidenten Donald Trump und die drohende Kriegsgefahr hat der mächtigste Mann des Iran bis zur Stunde (Sonntag, 22. September) kein Wort verloren.
Seit einer Woche kann man in der ganzen Welt, in allen grossen und kleinen Zeitungen, selbst im Iran viel über den spektakulären Raketenangriff auf Aramco, den weltgrössten Ölkonzern, lesen. TV-Stationen rund um den Globus senden die Bilder der Rauchschwaden über dem saudischen Ölkomplex so häufig, dass fast jeder in jedem Winkel der Erde diesen Brand mitbekommen haben muss. Und überall taucht die Frage auf, ob und inwieweit der Iran tatsächlich für diese Attacke verantwortlich sei. Fast alle Aussenpolitiker der Welt haben sich dazu geäussert. Doch Irans Revolutionsführer Ali Khamenei schweigt.
Khameneis Name taucht auf
Das ist jener Mann, der über alles Wichtige und Unwichtige im Iran entscheidet. Der Mann, dem manchmal sogar eine Fernsehsendung, ein Zeitungsbeitrag oder ein Theaterstück so wichtig erscheinen, dass er darüber ausführlich referiert. Doch als ob das weltweite Medienecho auf die brennenden Erdöleinrichtungen im benachbarten Saudi-Arabien ihn nicht interessiere, bleibt er derzeit stumm.
Er schweigt, obwohl er in vielen Medien der Welt als unmittelbar Verantwortlicher für den Brand, der den Weltfrieden gefährdet, auftaucht. Drei Tage nach dem Raketen- oder Drohnenangriff auf die saudischen Ölanlagen berichtete der US-Sender CBS News, Ayatollah Khamenei habe persönlich diesem Angriff zugestimmt, unter der Bedingung, dass der Iran später alles dementieren könne. Khamenei schweigt und lässt andere reden. Und es sind viele, die viel reden.
Freitagsprediger, Armeeoffiziere, Revolutionskommandanten, Parlamentarier, Aussenpolitiker und sogar der Staatspräsident: Im Iran fühlen sich viele berufen, etwas über Saudi-Arabien, Raketen, Drohungen und Donald Trump zu sagen, je nach Gemüt und Adressat. Wenn man all diese Predigten, Analysen oder Stellungnahmen genau liest oder hört, vor allem die Zwischenzeilen und Pausen, erfährt man grob gesagt zweierlei ziemlich Gegensätzliches: Zum einen nimmt man die Angst und die Ungewissheit wahr, die trotz offizieller Kraftmeierei überall zu spüren ist und in die Frage mündet, ob das Land je aus dieser Sackgasse herausfindet, in die es sich begeben hat. Selbst in den stark zensierten iranischen Medien gibt es für solche reflektierten Fragen Beispiele genug.
Innere Logik einer Kriegsstrategie
Es gibt aber auch kriegerische Stimmen, die für Offensive und Attacke plädieren. Sie haben eine innere Logik und fussen auf nüchternen Analysen. Diese Stimmen sagen Folgendes:
Donald Trump will aus vielerlei Gründen keinen Krieg. Er ist sogar bereit, mit den Taliban zu verhandeln, um nach 18 Jahren die amerikanischen Soldaten aus Afghanistan nach Hause zu holen. Ein Krieg mit dem Iran passt ihm nicht ins Konzept, weder aussen- noch innenpolitisch.
Saudi-Arabien wird es nicht wagen, einen Krieg mit dem Iran anzuzetteln. Die gesamte Ölindustrie des Landes liegt in Reichweite iranischer Raketen und Drohnen. Öl ist das saudische Lebenselixier. Ausserdem sind die mit dem Iran verbündeten paramilitärischen Gruppen in den Nachbarländern bereit, in Aktion zu treten.
Die Konsequenzen eines Kriegs mit dem Iran wären für Weltwirtschaft und Weltpolitik so verheerend, dass auch die Europäer alles tun werden, um ihn zu verhindern.
Auf die Diplomatie zu warten, ist zwecklos. Denn die US-Sanktionen strangulieren den Iran derart, dass er bald nicht mehr aktionsfähig ist.
Vor zwei Tagen haben die USA die iranische Zentralbank wegen Terror-Unterstützung mit Sanktionen belegt. Dies bedeutet, dass nun jeglicher legaler Handel mit der Aussenwelt unmöglich ist, selbst für russische und chinesische Geldinstitute. Es ist unvernünftig, bis zur völligen Sperrung der Atemluft zu warten. Angriff ist die beste Verteidigung.
Mit freundlicher Genehmigung von www.iranjournal.org