Noch dauert es knapp ein Jahr, bis in den USA der 45. Präsident gewählt werden wird. Indes gehen Anfang Februar in Iowa die ersten Vorwahlen in Form lokaler Parteitreffen, der „caucuses“,über die Bühne. An der Ausgangslage des Rennens hat sich in den vergangenen Wochen wenig geändert: Hillary Clinton führt klar die kleine Gruppe demokratischer Bewerber an, Donald Trump das grössere Feld republikanischer Kandidaten.
Überraschend nur, dass es Trump trotz einer Reihe von Fehltritten gelungen ist, in Umfragen seine Spitzenposition zu halten. Wie absurd seine Behauptungen, wie unrealistisch seine Forderungen und wie verschwommen seine Visionen sein mögen, Kritik perlt am New Yorker Milliardär ab wie einst an Ronald Reagan. Am „Teflon-Präsidenten“, der in den 1980er-Jahren ebenfalls versprochen hatte, Amerika wieder gross zu machen. Was jeden anderen Präsidentschaftskandidaten stürzen würde, scheint Trump zu stärken. Das Gesetz der politischen Schwerkraft ist ausser Kraft. Ein Kolumnist der „Washington Post“ nennt Trump „Amerikas modernen Mussolini“.
Studien zufolge unterstützen den Immobilienunternehmer vor allem ärmere, weniger gebildete, weisse Amerikaner. Es sind jene, die zwar schon viel verloren haben, wider besseres Wissen aber immer noch glauben, eine Menge gewinnen zu können. Sie halten ihrem Kandidaten zugut, unverhohlen auszusprechen, was sie ärgert, ängstigt oder bewegt: Ausländer, Einwanderer, Frauen, Muslime, Juden, herkömmliche Politiker. Themen wie das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich, die Folgen des Klimawandels, die Eindämmung der Schusswaffengewalt oder die unbewältigten Spannungen unter Schwarz und Weiss interessieren sie kaum.
Eine wichtige Rolle beim Aufstieg Donald Trumps spielen die Medien. Für sie und vor allem fürs Fernsehen ist „The Donald“ ein willkommener Stofflieferant und Quotengarant. Als Gastgeber einer Reality TV-Show weiss der 69-Jährige zudem das Scheinwerferlicht zu nutzen wie kaum ein zweiter. Laut NBC News hat Donald Trump für Fernsehwerbung bisher lediglich $ 217‘000 ausgegeben, während Jeb Bush nicht weniger als $ 28,9 Millionen bezahlt hat.
Gefielen sich Medienvertreter früher bei Wahlkämpfen in der Rolle von Aufklärern und Warnern, so sind sie im Falle Donald Trumps, nur teils unfreiwillig, zu Cheerleadern und Claqeuren mutiert. Ihr grossflächiges Versagen, Dinge beim Namen zu nennen und dem Publikum den Unterschied zwischen Fakten und Fiktionen zu erläutern, ist beunruhigend. Gleichzeitig verpassen es auch die sozialen Medien, als Korrektiv zu wirken. Doch eine Demokratie leidet, wenn die Presse - die vierte Gewalt im Staat - schwächelt und ihre Aufgabe, als Wachhund des Systems zu bellen und notfalls zu beissen, nicht mehr wahrnimmt.