Es war ein schwieriges Jahr. Viele ziehen eine wenig erfreuliche Bilanz. Pessimismus grassiert.
Doch da gibt es die Berufsoptimisten, sie, die nicht der Schwarzmalerei verfallen wollen. Sie reden uns ein, dass alles gar nicht so schlimm sei. Gerade in Neujahrsansprachen hören wir jetzt solch nette Worte. „Übertreibt nun mal nicht, die Welt bricht nicht zusammen“, heisst es, „die Probleme, die wir haben, werden gelöst.“ Und: „Es gab schon immer mal schwierige Zeiten, bald geht es wieder aufwärts.“ Tatsächlich gab es schon immer Berufspessimisten, die bei jedem Problem gleich den Untergang des Abendlandes prophezeiten. Oft wurden sie dann eines Besseren belehrt.
Dennoch: Zu viel Optimismus ist an diesem Jahreswechsel nicht angebracht. Wir leben tatsächlich in schwierigen Zeiten. Vieles hat sich in den letzten Monaten verändert – zum Schlechten. Die Augen davor zu verschliessen, wäre fatal.
In Amerika herrscht ein unberechenbarer Haudegen, der dabei ist, die nicht ideale, aber doch leidlich funktionierende Weltordnung aus den Angeln zu heben. Mühsam, von Diplomaten und Politikern ausgehandelte internationale Verträge, die nicht perfekt sind, aber die Welt doch ein klein wenig sicherer machten, werden über Bord geworfen. Die Staaten driften auseinander und verstehen sich immer weniger. Ein Teil der Gesellschaft scheint jede Contenance verloren zu haben, Rechtspopulismus mit teils nazihaften Facetten wird salonfähig. Hitlergrüsse waren vor einigen Monaten noch undenkbar, heute werden sie fast schon toleriert. Die Zahl antisemitischer Übergriffe steigt dramatisch; die Empörung darüber ist gering. Rassismus wird mit einem Achselzucken quittiert.
Nein, die Welt bricht nicht zusammen. Schwarzmalerei bringt nichts. Doch es gibt besorgniserregende Entwicklungen. Es ist billig, die Augen davor zu verschliessen und zu sagen: „Alles nicht so schlimm, es wird schon wieder gut. Sitzen wir das aus! Warten wir mal ab!“ Man stiehlt sich so aus der Verantwortung, Lösungen zu suchen. Das Leben ist einfacher, wenn man sich nicht mit Problemen herumschlagen muss. Wer alles schönredet, braucht sich nicht anzustrengen, Lösungen zu finden. Doch abwarten ist jetzt nicht das Rezept. Doch auch Untergangspropheten brauchen wir nicht. Wir brauchen Optimisten, die Kraft versprühen und die Probleme angehen. Naive Berufsoptimisten jedoch, die ihr geruhsames Leben und ihre Leichtigkeit des Seins nicht belasten wollen, die stets zwanghaft alles durch die rosarote Brille sehen wollen – die brauchen wir nicht. Wichtig ist, dass man die Probleme erkennt und genau analysiert – und sie nicht mit billigem Populismus lösen will.