Schon seit bald einem Jahr sind die Taliban wieder an der Macht. Trotzdem verweigert die Schweiz einem Afghanen immer noch die Erlaubnis, arbeiten zu können.
Der heute 40-jährige Afghane M. R. musste nach einer Auseinandersetzung mit den Taliban fliehen. Auf Umwegen erreichte er im November 2013 die Schweiz und stellte ein Gesuch um Asyl. Nach drei Jahren lehnte das Staatssekretariat für Migration (SEM) sein Gesuch ab und forderte M. R. auf, die Schweiz zu verlassen.
Dagegen reichte er einen Rekurs ein, doch das Bundesverwaltungsgericht wies ihn im November 2019 ab. Um sein Recht nicht zu verlieren, seine kleine Tochter besuchen zu können, versuchte der geschiedene Afghane alles, um in der Schweiz bleiben zu können.
Seine Situation verbesserte sich, als die Taliban im August 2021 im Begriff waren, erneut die Macht in Afghanistan zu übernehmen. Damals beschloss das SEM, auf Rückführungen abgewiesener Afghanen zu verzichten. Ein paar Monate später stellte M. R., unterstützt vom Arbeiterhilfswerk Tessin, ein Wiedererwägungsgesuch. Aufgrund der neuen Situation sei sein Asylgesuch gutzuheissen, oder jedenfalls die vorläufige Aufnahme zu garantieren (Ausweis F), damit M. R. endlich arbeiten dürfe.
Die Antwort des Staatssekretariats liess auf sich warten, weshalb das Arbeiterhilfswerk Anfang März 2022 um einen raschen Entscheid bat. Zwei Wochen später bestätigte das SEM, dass die Taliban Afghanistan kontrollierten und eine Übergangsregierung gebildet hätten. Weiter liest man im Schreiben, es sei noch nicht möglich abzuschätzen, wie das Regierungsprogramm verwirklicht und wie es funktionieren werde. «Es ist deshalb nicht möglich, mit Bestimmtheit die Haltung abzuschätzen, welche die Taliban gegenüber gewissen Kategorien von Menschen hätten, sofern sie nach Afghanistan zurückkehren würden.» Man könne auch nicht genau bewerten, wie die sozio-ökonomische Situation sei sowie jene mit Bezug auf die Sicherheit. Diese Fälle werden entschieden, sobald es die Situation in Afghanistan erlaube. (…) «Wir bitten um Verständnis und um Geduld; zu gegebener Zeit wird entschieden werden.»
Diese Antwort in italienischer Sprache, hier möglichst wortgetreu wiedergegeben, zeigt auf, dass das Staatssekretariat immer noch Illusionen hegt mit Bezug auf die Taliban. Es gibt überdies noch viele Afghanen, die wie M. R. nicht einmal vorläufig aufgenommen sind. Im Afghanistan der Taliban herrscht Willkür, das bewaffnete Fussvolk der zurückgekehrten Machthaber ist ungebildet und auf einen gewalttätigen Islam eingeschworen, der von religiösen Muslimen abgelehnt wird. Weiter werden die Frauen immer entschiedener aus dem öffentlichen Leben und aus vielen Berufen verdrängt. Auch gibt es keine Anzeichen, dass die Regierung der Taliban Vorstellungen hat, wie in diesem durch 40 Jahre Krieg geschädigten Land die Verwaltung aufzubauen ist und das wirtschaftliche Leben in Gang gebracht werden kann.
Angesichts dieser bedrückenden Situation ist es unerklärlich, dass das Staatssekretariat Asylgesuche wie jenes von M. R. nicht rasch bewilligt oder diesen Menschen wenigstens eine vorläufige Aufnahme erteilt, damit sie arbeiten und ihr Leben verdienen können.