Spätere Tranchen werden von geplanten Revisionsverfahren abhängig sein, von denen fünf vorgesehen sind. Der jetzigen Einigung sind lange Verhandlungen vorausgegangen.
Forderungen des Währungsfonds
Als Vorbedingung, um die Anleihe zu erhalten, hatte Ägypten bestimmte Forderungen des Fonds zu erfüllen. Dies waren: Freigabe des Wechselkurses für das ägyptische Pfund, Einführung einer Mehrwertsteuer, Reduktion der staatlichen Subventionen auf Grundnahrungsmitteln und Energie in den Formen von Gas, Petroleumprodukten und Elektrizität.
Dazu wurde verlangt: Reduktion der Ausgaben für die Staatsangestellten, Privatisierung staatlicher Firmen und Sicherstellung von bilateralen Anleihen für die Zentralbank in der Höhe von 6 Milliarden Dollar. Diese Auflagen wurden teils erfüllt, teils in ersten Schritten in die Wege geleitet.
Kein neues Geld von Saudi-Arabien
Das Pfund verlor 45 Prozent seines früheren offiziellen Wertes. Es wird zurzeit um 15 Pfund pro Dollar gehandelt. Auf dem Schwarzen Markt hatte es vor der Abwertung 18 pro Dollar erreicht. Alle Preise stiegen bedeutend an, die Inflation erreichte bis jetzt 15 Prozent. Die Grundlebensmittel, einschliesslich Brot, sind am stärksten betroffen. Weitere Preissteigerungen müssen erwartet werden. Der Abbau der Subventionen hat erst begonnen, er muss nach der Übereinkunft mit dem IMF weitergeführt werden.
Die 6 Milliarden bilateraler Finanzierung wurden in China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und den G7-Staaten gefunden, und sie brachten die auf 15 Milliarden Dollar reduzierten Reserven der Zentralbank auf 23,5 Milliarden. Saudi-Arabien hat diesmal Ägypten nicht unterstützt. Dies geht auf neuerdings aufgetretene politische Spannungen zurück.
Die Zinssätze liegen je nach Dauer der Anleihen zwischen 7 und 14 Prozent. Das vereinbarte Programm sieht vor, dass das Defizit des Staatsbudgets – dieses Jahr 12 Prozent des Bruttonationalproduktes – allmählich abgebaut werde. Es verspricht auch, dass ein Teil des künftig wieder anwachsenden Staatseinkommens für Hilfe ausgegeben werden soll, die den Bedürftigsten zufliessen soll.
Ein Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze
Im Vorfeld der Abwertung war es zu einer grossen Zuckerknappheit gekommen. Der Staat suchte abzuhelfen, indem er die Zuckervorräte bestimmter Firmen beschlagnahmte und sie von Lastwagen aus zu verbilligten Preisen abgab. Die Armee führte eine Aktion durch, um eine Million Lebensmittelpakete zu verbilligten Preisen zu verkaufen. Doch solche Pflästerchen erreichen im besten Fall einen kleinen Teil der Bedürftigen. Stets besteht die Gefahr, dass sie durch Korruption gewisse Privilegierte bereichern.
Von den über 100 Millionen Ägyptern leben zurzeit ein gutes Viertel unter der Armutsgrenze von 2 Dollar pro Tag. Doch es wird befürchtet, dass die Preissteigerungen weitere 24 Prozent der Bevölkerung unter die Armutsgrenze zwingen werden. Sehr viele Ägypter der unteren und der Mittelschichten arbeiten täglich in zwei Berufen, um ihre Familien zu ernähren.
Jugendarbeitslosigkeit über 40 Prozent
Doch die Arbeitslosigkeit ist hoch, besonders unter den Jüngeren, die nicht mehr wie die früheren Jahrgänge in den schon seit Jahren aufgeblasenen und überbesetzten staatlichen Organismen Unterschlupf finden. Diese Staatsstellen sollen nun abgebaut werden. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 42 Prozent.
Wenn die vereinbarten Massnahmen durchgehalten werden können und falls vermieden werden kann, dass die Wirkung des Programmes durch Korruption vereitelt wird, versprechen die angekündigten Schritte, dass das Land mehr ausländische Gelder und Anleger mobilisieren kann und dass seine Wirtschaft wieder zu wachsen beginnt. Doch die beiden Voraussetzungen: Durchhaltefähigkeit der Bevölkerung auf drei Jahre und Überwindung der Korruption, sind ungewiss.
Polizei verhindert „Protest gegen den Hunger“
Auf den vergangenen Freitag hatten seit Wochen Internetaufrufe „Proteste gegen den Hunger“ angekündigt. Sie waren auf das Datum des 11. 11. angesetzt, und dieses wurde mit Spannung erwartet. Am Freitag waren die Strassen von Kairo leer. Die Polizei stand im Grosseinsatz. Betende, die in die Moscheen gingen, berichteten, noch nie hätten sie in der Gegenwart so vieler Bewaffneter ihr Gebet getan. Es habe mehr bewaffnete Polizisten in der Moschee gegeben als Betende.
Die wenigen Demonstranten, die versuchten, auf die Strassen zu ziehen, wurden sofort verhaftet. In Kairo seien es 39 gewesen, teilte der Innenminister mit, im ganzen Land 256. Die Polizei stand auch an den Einfahrtstrassen in die Grossstadt, um zu verhindern dass „Muslimbrüder von aussen in die Stadt einfiltern“, wie es hiess. Staatschef al-Sissi hatte erklärt, falls es zu Unruhen komme, werde die Armee innerhalb von sechs Stunden in die Strassen gesandt.
Mehr Furcht als Wut, aber wie lange?
Nachträglich schrieben die Zeitungskommentatoren, die Furcht habe die Wut der Bevölkerung übermannt. Doch ihre Berichte tönten auch an, dass die Lage weiterhin gespannt bleibt und dass Unruhen jederzeit zu nicht voraussehbaren Zeitpunkten ausbrechen könnten. Das anfängliche Vertrauen auf die Fähigkeit des früheren Generals und heutigen Präsidenten, Ägypten voranzubringen, sei geschwunden und mache der Wut und Verzweiflung Platz.