Abzocker können Personen sein. So wie Daniel Vasella. Unglaublich, wie es ein Schweizer fertiggebracht hat, auch zur internationalen Inkarnation eines ‚rip-off artist‘ zu werden. Die ‚Financial Times‘, das ‚linkere‘ der beiden Leibblätter der internationalen Geschäftswelt (das andere ist das Wall Street Journal), überschrieb seinen Bericht zur letzten GV der Novartis entsprechend: ‚Reversal over Novartis ‚gag‘ payout markes a crossroad‘. Ein Wendepunkt im Trend zu immer höheren Vergütungen, Boni, goldenen Fallschirmen etc.
Pech für Vasella
Wahrscheinlich hat Vasella auch einfach Pech gehabt mit dem Zeitpunkt seines vermeitlich grössten Fischfangs. Andere Firmenchefs vor ihm haben mehr gefordert und auch erhalten. Andere haben grössere, völlig unverdiente Gewinne gemacht wie das im Bereich des Kasinokapitalismus‘ der letzten 30 – 50 Jahre ( chronologisch: Schachtelfonds wie IOS, junk bonds, Derivate, hedge funds etc) gang und gäbe war und noch ist. Vasellas 72 Millionen sind ein Klecks verglichen mit dem Rüschlikoner Bürger Ivan Glasenberg, Übernacht-Milliardär nach dem Börsengang der Glencore und bald wohl Grossverdiener als Chef von ‚Glenstrata‘, dem Zusammenschluss des weltgrössten Rohwaren-Handelshauses (mit Sitz in Baar) mit dem global viertgrössten Bergbaukonzern(mit Sitz in Zug).
Abzocker scheffeln nicht nur unverschämt und unverdient Geld, sondern auch Macht. Beides geht bekanntlich oft Hand in Hand. International prominentestes Beispiel ist der australisch-amerikanische Medienzar Rupert Murdoch. Mit phänomenalen, weil vorprogrammierten Gewinnen im Kabel-TV, und vor alllem seiner Verteilung, quersubventioniert er die weltwichtigste Machtkonzentration im Medienwesen. Sozusagen ein Berlusconi auf globaler Ebene.
Und die NZZ ...
Ein ähnlicher Versuch, mit Geld auch die politische Meinungsbildung zu kaufen, besteht bekanntlich in der Schweiz: von der ‚Weltwoche‘ über die ‚Basler Zeitung‘ zu Lokal TV’s, zu….Die NZZ, wohl die potentielle Königstrophäe der rechten Finanzgruppe hinter diesem Versuch, ist so naiv, deren Tenören immer wieder auf ihrer vielbegehrten op-ed Seite Gratistribünen zu offerieren, wie eben capo dei capi Herrn B. selbst (NZZ, 6.3.13 ‚Wir sitzen nicht im gleichen Boot‘)
Abzocker können aber auch Unternehmen sein. So wie zum Beispiel Starbucks. Kein geringerer als der konservative Premierminister David Cameron hat es als ‚unacceptable‘ bezeichnet, dass die Firma ‚Starbucks UK‘ in zehn Jahren keinen Rappen Steuern an das britische Schatzamt entrichtet hat. Dafür, via eine konzerneigene Kaffeehandelsfirma, sehr tiefe (5 -10 Prozent) Unternehmenssteuern an eine kantonale Finanzdirektion am Genfersee.
Keine Steuern, aber Ansprüche an Infrastruktur
Diese interessante Information stammt von einem der besten der, wenigen, schweizerischen Kommentatoren mit Weitblick über den helvetischen Tellerrand hinaus. Daniel Binswanger (Das Magazin 08/2013, S.4) verbindet diese Information mit der Darstellung der nächsten Schlacht zwischen Regierungen und jenen Unternehmen, welche zuviel von der Globalisierungsdividende abzocken: der Auseinandersetzung über interne Verrechnungspreise.
Missbräuchliches transferpricing bedeutet Steueroptimierung für ein Unternehmen indem Gewinne innerhalb multinationaler Firmen dort ausgewiesen werden, wo keine, oder nur sehr geringe Unternehmenssteuern anfallen. Oft in der Schweiz eben, wo mit allerlei Tricks wie Pauschalbesteuerung, Holdingsteuern, Lizenz’schachteln‘ etc. bereits tiefe Unternehmenssteuersätze für ausländische Unternehmen, und ihre bestbezahlten Angestellten, weiter gesenkt werden.
Globale Gerechtigkeit als Thema
Dies bedeutet aber ebenfalls, dass dort, wo Gewinne erwirtschaftet werden - wie im Starbucks Beispiel in Grossbritannien - keine Steuern bezahlt werden und damit dem Staat die Mittel fehlen, attraktive Rahmenbedingungen zu finanzieren respektive aufrecht zu erhalten.
Aus all diesen Beispielen geht hervor, dass hier die Schweiz weder ‚Kleinstaat‘ noch ‚Nischenanbieter‘ ist, sondern im fiskalischen Epizentrum einer globalen Auseinandersetzung liegt, welche eben erst begonnen hat. Der Auseinandersetzung geht darum, wie die Globalisierungsdividende, erwirtschaftet dank einer flacheren Welt, besser und gerechter verteilt werden kann. So dass auch die Verlierer - solche gibt es natürlich auch in unserern westlichen Ländern, gerade in der Mittelschicht, wo netto Arbeitsplätze verloren gegangen sind und wo Jugendarbeitslosigkeit in grossem Massstab besteht - von Produktivitätsfortschritten, Rationalisierungen und neuen, weltweiten Exportmärkten profitieren können.
Die Schweiz: keine Insel
Nach dem Knacken des Bankgeheimnisses und nun der oben erwähnten Auseinandersetzung um Verrechnungspreise, werden uns die USA, die EU, die OECD etc. damit keineswegs ‚in Ruhe lassen‘, wie das von nur vermeintlichen Experten ewas naiv gefordert wird (vgl. etwa ‚Heuchelei und Zynismus der Grossmächte‘ von Braillard/Schwamm in der NZZ vom 1.3.13).
Dies ist letztlich auch gut so. Die Schweiz kann und will weder isolierte Insel von Glückseligen noch Alpenmonaco sein. Sondern ein, primär dank mittelständigem Unternehmensgeist, auch in Zukunft weltweit kompetitiver Werkplatz mit exzellenten Ausbildungsmöglichkeiten auf allen Stufen. Eine solche Zukunft ist aber nur zum Preis von aktiver internationaler Mitverantwortung zu haben. Dieser kommen wir sowohl auf wirtschaftlicher als auch politischer Ebene im Moment erst teilweise nach. Das wird sich ändern müssen.