Ob es nun wirtschaftliche Zwänge oder medienstrategisches Kalkül ist: Der Stellenabbau bei der SDA ist für die schweizerische Medienlandschaft ein schwerer Schlag.
Der Agentur-Journalismus wird seit jeher krass unterschätzt. Die Agentur-Journalisten arbeiten stets im Schatten. Ihre Namen kennen nur wenige. Sie zeichnen ihre Meldungen und Artikel meist nur mit einem Kürzel unter ihrem Bericht.
Doch ihre Arbeit ist von grösster Wichtigkeit. Sie verrichten die Basisarbeit. Sie grasen alle Medienkonferenzen ab, sie harren oft stundenlang vor verschlossenen Konferenztüren und warten, bis dieser oder jener Politiker einen ganzen oder halben Satz von sich gibt. Sie holen Reaktionen von Politikern und Wirtschaftsverbänden ein. Sie sind ständig mit der Polizei in Kontakt. Deshalb erfahren sie meist als Erste, wenn da und dort etwas geschehen ist. Nach Katastrophen und Unglücksfällen recherchieren sie in Spitälern und Botschaften.
Natürlich veröffentlichen heute viele Behörden ihre Meldungen übers Internet. Doch die blosse Widergabe von Communiqués ist kein Journalismus. Agenturen sind es, die nachhaken und Reaktionen einholen. Den Zeitungen fehlen meist die Zeit und die Mittel, dies zu tun.
Agenturjournalismus ist ein Facts-and-Figures-Journalismus und nie ein Meinungsjournalismus. Die Agenturleute müssen ein faires Abbild der verschiedenen Meinungen geben. Sagt die Linke etwas, holt die Agentur eine Reaktion der Rechten ein – und umgekehrt. Sagen die Gewerkschaften etwas, holen die Agenturjournalisten eine Reaktion der Arbeitgeber ein – und umgekehrt.
Agenturjournalismus ist anspruchsvoll. Hier darf nicht gepfuscht werden. Jeder „Quote“, also jedes Zitat, muss aufs Wort genau stimmen und sauber in Anführungs- und Schlusszeichen gesetzt werden. Jede Zahl muss gecheckt und stets aktualisiert werden. Und: Agenturjournalismus muss immer schnell sein. Auf Nachrichtenagenturen lernen Journalistinnen und Journalisten sorgfältig und rasch zu arbeiten.
Agenturjournalismus ist für viele die Basis der Berichterstattung. Agenturmeldungen geben Anstoss für weitere Recherchen. Wie viele angesehene Redaktoren und Auslandkorrespondenten gibt es, die in ihren warmen Büros aufgrund von Agenturmeldungen – mit Beifügung etwas eigener Sauce – ihre Artikel schreiben. Die „Grossen Federn“ heimsen dann die Anerkennung für ihre Berichte ein; die Agenturjournalisten haben die Vorarbeit geleistet. Die einen machen die Pflicht, die anderen die Kür.
Das Angebot an Auslandmeldungen wird die SDA jetzt einschränken. Das Inland- und Auslandressort sollen zusammengelegt werden. Auslandkorrespondenten gibt es fast keine mehr. Der schweizerische Blick auf Ereignisse im Ausland wird eingeengt. Man verbreitet vor allem noch Meldungen der Agenturen Agence France Press (afp) und der deutschen DPA. Der Vertrag mit der Agentur Reuters, einer der weltbesten, wird gekündigt.
In der Schweiz gab es frühere mehrere Nachrichtenagenturen. Seit dem Untergang des sehr wichtigen Schweizer Dienstes der Agentur Associated Press (AP) bleibt die SDA als einzige übrig. Gerade deshalb ist sie besonders nötig. Sie leistet auch einen wesentlichen Anteil am Austausch der Informationen zwischen den Landesteilen und trägt so zum Zusammenhalt der Schweiz bei.
Die SDA ist finanziell schon lange nicht auf Rosen gebettet. Natürlich kann man immer abspecken. Doch es kommt der Zeitpunkt, da ist kein Speck mehr da und die Zitrone ist ausgepresst. Die Streichung von bis zu 40 Vollzeitstellen wird sich zweifellos negativ auf das Angebot und die Qualität der Agentur auswirken. Wer das Gegenteil behauptet, ist ein unqualifizierter Schönredner. Oder hat keine Ahnung von Journalismus. Oder vertritt die Ansicht, dass es im heutigen Fake-News-Zeitalter ohnehin keine Rolle mehr spielt, ob die verbreiteten Meldungen seriös und glaubwürdig sind.
PS: Gerade, weil das Angebot der SDA reduziert wird, ist es umso wichtiger, dass die Schweiz eine starke SRG hat. Sie leistet mit ausgewiesenen Journalistinnen und Journalisten einen wesentlichen Beitrag zur Informationsversorgung der Schweizer Bevölkerung.