Dabei steht die Regierung in Washington im drittwichtigsten politischen Organ der Uno nach dem Sicherheitsrat und der Generalversammlung nicht einmal besonders unter Kritik. Trumps Entscheidung ist das vorerst letzte von Geschenken an den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, der eine wirksame Lobbyarbeit betreibt.
Israels Einfluss auf die Trump-Administration
2017 waren die USA und Israel bereits aus der Weltorganisation für Wissenschaft und Kultur (Unesco) ausgetreten, weil diese Palästina aufnahm. Die Kündigung des Atomabkommens mit Iran geht ebenfalls zum grössten Teil auf das Drängen Israels zurück. Und mit der Anerkennung von ganz Jerusalem als Hauptstadt Israels und der Verlegung der US-Botschaft aus Tel Aviv in die von Juden und Muslims bewohnte historische Stätte erfüllte er den israelischen Hardlinern einen Herzenswunsch. Dass Trump damit eine eiserne Regel der Uno brach, scherte ihn nicht.
In internationalen Diplomatenkreisen wird das Verhältnis zwischen Israel und den USA als „der Schwanz, der mit dem Hund wedelt“ bespöttelt. Einen Frieden hat diese Politik nicht näher gebracht. Aber nützt der Austritt aus dem Menschenrechtsrat wenigstens Washington? Fast alle Staaten und auch die führenden Politikwissenschaftler sehen darin ein Eigengoal der USA. Es verspricht mehr Erfolg, notwenige Reformen von innen anzustossen als durch Druck von aussen.
Die Reform von 2006
Der Menschenrechtsrat wurde 2006 reformiert, damals auf Betreiben des US-Präsidenten George W. Bush. Das Gremium hiess bis dahin Menschenrechtskommission. Es wurde gestrafft und mit neuen Befugnissen ausgestattet. Dazu gehört eine regelmässige universelle Überprüfung der Menschenrechtslage in allen Mitgliedstaaten der Uno. Selbst Nordkorea hat sich dieser Prozedur unterworfen. Die Regierungen bringen ihre Darstellung ein, die Kritiker weisen auf die Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten hin und zuletzt ziehen unabhängige Experten eine Bilanz.
Die USA zählen nicht zu den besonders schwarzen Schafen. Sie laufen aber derzeit Gefahr, wegen der Trennung von Flüchtlingskindern von ihren Müttern auf die Agenda des gerade in Genf tagenden Menschenrechtsrats zu gelangen. Das schafft zumindest ein Negativimage.
Kitt für die islamischen Staaten
Das Hauptargument der USA für ihren Austritt lautet, dass sich der Genfer Rat viel mehr mit Israel beschäftigt als mit irgend einem anderen Land. Das ist nicht zu bestreiten. Die Diplomatie der islamischen Staaten besticht in dieser Sache nicht durch Finessen. Sie feiern jede gewonnene Abstimmung als einen „Sieg“, ob er etwas bringt oder nicht. Die Feindschaft mit Israel ist nämlich der Kitt, der sie wenigstens auf der internationalen Szene zusammenhält.
Trumps Vertreterin bei der Uno, Nikki Haley, nannte China, Kuba, den Kongo und Venezuela als abschreckende Beispiele von Mitgliedern des Menschenrechtsrats – kurzum eine „Jauchengrube“. Saudi-Arabien erwähnte sie nicht.
Solche Sprüche verfehlen ihre Wirkung auf die Öffentlichkeit nicht. Viele Menschen können nicht verstehen, warum unter den für jeweils zwei oder drei Jahre gewählten 47 Ratsmitgliedern Vertreter von Staaten sitzen, die selber die Menschenrechte missachten.
Wirkung von kritischen Menschenrechts-Berichten
Doch der Menschenrechtsrat ist kein Tribunal, an dem die „Guten“ über die „Bösen“ richten. Alle 194 Uno-Mitglieder haben die gleichen Rechte. Die Bewerber um einen Sitz in Genf werden von jeder geographischen Gruppe bestimmt und dann von der Generalversammlung in einem geheimen Stimmengang gewählt. Dort gilt das Gesamtresultat.
Die vom Menschenrechtsrat beschlossenen Resolutionen und Empfehlungen sind nicht einklagbar. Sie werden an die Generalversammlung weitergeleitet und bleiben auf der Tagesordnung. Der Druck auf die öffentliche Meinung entsteht durch die Berichterstattung der Massenmedien. Schaden befürchten müssen Menschenrechtsverächter auch durch ausbleibende Investitionen. Nur wenige Grossfirmen möchten Geld in Ländern anlegen, die einen schlechten Leumund aufweisen.