Schafft es Zury Ríos doch nicht, guatemaltekische Präsidentin zu werden? Alle Meinungsumfragen hatten der Tochter eines der schlimmsten Polit-Verbrecher Lateinamerikas, sehr gute Chancen prophezeit. Doch laut ersten, sehr provisorischen Teilergebnissen könnte sie bei den gestrigen Präsidentschaftswahlen in Guatemala weniger gut abschneiden als erwartet. Da erwartungsgemäss im ersten Wahlgang niemand das erforderliche absolute Mehr erreicht, findet im August die Stichwahl statt.
Noch ist nichts entschieden. Die Auszählung der Stimmen kommt nur schleppend voran. Laut bisherigen Teilergebnissen liegt die 67-jährige Sandra Torres, eine ehemalige Präsidentengattin und ewige Präsidentenkandidatin in Führung. Ehefrauen von ehemaligen Staatspräsidenten dürfen sich gemäss der Verfassung nicht um das höchste Amt im Staat bewerben. Um trotzdem kandidieren zu können, liess sich Sandra Torres von ihrem Mann, dem ehemaligen Präsidenten Álvaro Colom, scheiden. Ihr haften Korruptionsvorwürfe an.
An zweiter Stelle folgt laut Teilergebnissen überraschend der 64-jährige Bernardo Arévalo de León, ein Diplomat, Soziologe und Schriftsteller. Er war Botschafter in Spanien und stellvertretetender Aussenminister.
Efraín Ríos Montt, der Vater von Zury Ríos, wurde 2013 wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 80 Jahren Gefängnis verurteilt. Zwar wurde später der Prozess neu aufgerollt. Bevor das zweite Urteil gefällt wurde, starb Ríos Montt im Hausarrest.
Er hatte Massennorde und Massenvergewaltigungen angeordnet und ging vor allem gegen die Maya-Völker vor. Er befahl die Zerstörung von 400 Dörfern. Mehr als 1100 Menschen wurden umgebracht und über 1400 Frauen vergewaltigt. Schwangeren Frauen wurden von Soldaten die Bäuche aufgeschnitten und die Föten zerstückelt.
Die Verbrechen von Zury Ríos’ Vater wurden im Wahlkampf kaum thematisiert. Die Medien, die sich im Besitz des Politestablishments befinden, hatten das Thema totgeschwiegen. Kaum erwähnt wurde auch, dass Zury Ríos, da sie die Tochter eines Putschisten ist, laut der Verfassung gar nicht hätte kandidieren dürfen. Die demokratische Opposition in Guatemala bezeichnet die 55-jährige Zury Ríos als «kontaminierte Präsidententochter».
Guatemala mit seinen 17 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen gehört zu den ärmsten, unterentwickeltsten und korruptesten Ländern der Welt. Die organisierte Kriminalität und der Drogenhandel sind eng mit der Politik verknüpft. Die demokratischen Institutionen sind aufgeweicht. Die beiden Spitzenkandidatinnen gehören zum politischen Establishment. Es wird nicht erwartet, dass sie die Armut und die Korruption ernsthaft bekämpfen.