Ohne dass sich ein Schiff bis jetzt den Gewässern Gazas nähern konnte, findet die Konfrontation seit Wochen auf Nebenschauplätzen statt. Auf YouTube erklärt ein Mann er sei als Schwuler an Bord der Gaza Flotille unerwünscht; sein Fazit: Die Aktivisten seien ausgrenzend und homophob. Ein gefundenes Fressen für die Gegner der geplanten Schifffahrt nach Gaza. Die israelische Regierung twittert den Link zum Video, bis sich herausstellt, dass der Mann ein israelischer Schauspieler und seine Geschichte frei erfunden ist.
Die Episode ist eine von vielen Sticheleien zwischen Befürwortern und Gegnern des neuen Versuchs einer Gruppe hauptsächlich nordamerikanischer und europäischer Aktivisten, mit Schiffen nach Gaza zu reisen. Für alle geht es ums Prinzip: Gewaltloser ziviler Ungehorsam, um die umstrittene israelische Seeblockade zu durcbrechen für die einen, dreiste Unterstützung des Hamas-Terrors für die anderen.
Polarisierung auf hoher Ebene
Der Start der Flotille verzögerte sich bereits seit Tagen, als die griechische Regierung am 1. Juli allen Schiffsverkehr von griechischen Häfen nach Gaza verbietet. Das amerikanische Schiff mit dem Namen „Audacity of Hope“, auf dem sich unter anderem die Schriftstellerin Alice Walker (The Color Purple), eine 86-jährige Überlebende des Holocaust, und eine Ladung von 3000 persönlichen Briefen von Amerikanern an Menschen in Gaza befanden, versuchte sich aufs offene Meer abzusetzen. Es wurde von der griechischen Hafenpolizei aber sofort wieder eingefangen.
Die Affäre polarisiert auf höchster Ebene: Einige Europäische Regierungen rieten ihren Bürgern explizit von der Schiffsreise nach Gaza ab, Irlands Aussenminister mahnte dagegen Israel, sich zurückzuhalten. Hillary Clinton insistierte auf Israels Recht auf Selbstverteidigung. Dann meldeten die griechisch-norwegisch-schwedische und die irische Delegationen, ihre Schiffsschrauben seien beschädigt worden. Es kursierten Gerüchte um suspekte Angler, die sich ohne Köder am Haken stundenlang in der Nähe der Ankerplätze aufgehalten haben sollen. Der Mossad sollte es gewesen sein.
Wenig Flexibilität auf beiden Seiten
Israel versteifte sich auf Abwehrmanöver. Netanyahu drohte sogar Journalisten an Bord mit zehn Jahren Einreiseverbot, nach heftiger Kritik musste er seine Position dann wieder abschwächen. Die israelische Tagespresse berichtete teilsweise in Grossbuchstaben über mörderische Absichten und chemische Waffen der Flottille-Aktivisten, was angesichts der Tatsache, dass die Organisatoren mehrmals die EU und die UNO einlud, ihre Boote zu inspizieren, unwahrscheinlich schien. Eine israelische Organisation drohte Versicherern und Kommunikationsunternehmen mit Klagen, sollten diese den Schiffen der Flotille Dienstleistungen anbieten.
Um den Preis wochenlanger Medienberichte über seinen Umgang mit einem bunten Haufen mehrheitlich europäischer und nordamerikanischer Zivilisten, der Pressefreiheit und den Menschen Gazas, scheint es Israel dank diplomatischer Offensive – insbesondere mit Druck auf die labile Regierung Griechenlands – nun gelungen zu sein, das Flottillenprojekt auf Sand laufen zu lassen. Die Idee, der Aktion durch Kooperation oder zumindest Tolerierung den Wind aus den Segeln zu nehmen, erwägte Jerusalem zu keinem Zeitpunkt.
Argumente der Schweizer Delegation
Auf Seiten der Aktivisten wurde von humanitären Zielen gesprochen. Das von der UNO vermittelte und von Israel akzeptierte griechische Angebot, die humanitäre Fracht nach Gaza zu transportieren, wurde bisher abgelehnt. Man beharrt auf Rechten und schlägt Kompromisse ab. Die israelische Seeblockade Gazas sei illegal und ein bedrohlicher Präzedenzfall für die Nahostregion, meint Anouar Gharbi, Schweizer mit tunesischen Wurzeln und Sprecher der „European Campaign to End the Siege on Gaza“, einer Vereinigung europäischer Organisationen welche die Flotille unterstützen und mit organisierten.
Die von ihm geleitete Genfer NGO „Droits Pour Tous“ sammelte in der Schweiz 270 000 Franken für ein Frachtschiff mit 1200 Tonnen medizinischer Güter und Baumaterial. Momentan ist das Schiff in Griechenland blockiert. Die Frage, ob die Flotille-Aktion in Anbetracht des letztjährigen Blutvergiessens nicht Gewalt provoziere, leitet Gharbi im Gespräch an Israel weiter. Die Organisatoren hätten ihren Teil zur Gewaltprävention beigetragen durch das Angebot, ihre Schiffe inspizieren zu lassen und die Schulung aller Passagiere in gewaltfreien Verhaltenweisen.
Eine polarisierende Wirkung der Flotille auf die Weltöffentlichkeit im allgemeinen, und auf die Israelische Wählerschaft insbesondere, will Gharbi nicht einräumen. Erstens belegten Meinungsumfragen die globale Unterstützung der palästinensischen Sache, zweitens zeige die Vergangenheit, dass Israel seine Politik ohne Druck nicht ändere, meint er.
Fortsetzung auf dem Luftweg?
Der Frage ob die Organisatoren der Flotille Israels Existenz grundsätzlich anerkennen, weicht Gharbi aus. Man werde eine von den Palästinensern verhandelte Lösung akzeptieren. Als erstes müsse allerdings Israel seine Territorialanspruch definieren, denn dieser sei heute unklar. Fest steht dagegen für Gharbi, dass man die Gaza Operation auch in Zukunft wieder versuchen werde.
Israel stellt sich bereits darauf ein: In den kommenden Tagen will eine europäische Gruppe mehrheitlich französischer Aktivisten unter dem Namen „Bienvenue en Palestine“ zu Hunderten per Flugzeug nach Israel reisen, um gegen die Besatzung der Palästinenser aufmerksam zu machen.