Die Experten sind sich praktisch einig. Eine Wasserstoff- oder H-Bombe - eine Kernfusionsbombe der zweiten Generation mit maximaler Zerstörungskraft - war es kaum, was ‘Baby-Kim’ mit dem üblichen nordkoreanischen TV-Bombast eben getestet hat. Jedenfalls noch nicht. Schlimm genug ist eine wohl aufbereitete Atombombe - eine Kernspaltungs-Bombe der ersten Generation, deren Zerstörungskraft mit einem Teil Lithium erhöht wird - allemal.
Nordkoreas Zauberlehrlinge
Dies sowohl direkt wie auch indirekt in seiner Wirkung auf andere aufstrebende Nuklearmächte, wie Indien und Pakistan, welche sich nun freier fühlen könnten, eine eigene H-Bombe zu entwickeln oder einzugestehen, dass sie diese bereits haben. Was wahrscheinlich auf Israel bereits zutrifft.
Direkt wird Kims’s neuster Atompilz zu erhöhten Spannungen im Raum Asien-Pazifik führen. Da Nordkorea nachweislich über interkontinentale, ballistische Trägersyteme verfügt, machen sich Japan, ganz zu schweigen von Südkorea, berechtigte Sorgen. Wahrscheinlich könnten nordkoranische Raketen zumindest theoretisch - es gibt amerikanische Abfangkapazitäten - auch die US- Pazifikküste erreichen. Seoul und Tokio haben Vorwarnzeiten von Minuten bis höchstens wenige Stunden, sollten in Kim’s mörderischem Disneyland Sicherungen durchbrennen.
Da die nordkoreanischen Zauberlehrlinge offensichtlich ihre Nuklearmaterie nur ungenügend beherrschen, gilt dies sowohl im direkten, als auch im übertragenen Sinne. So wenn sich das Regime einmal in einer auswegslosen Situation glaubt und und seinen Untergang als nukleare Götterdämmerung inszeniert. Im Moment nicht wahrscheinlich , aber auch nicht auszuschliessen.
USA und China in Schlüsselrollen
Der internationale Druck auf Nordkorea muss also ebenso sorgfältig kalibriert, wie auch international koordiniert werden. Schlüsselrollen kommen den USA und China zu. Die Amerikaner werden sich in ihrer Langzeitstrategie der Zuwendung nach Asien (‘Asia Pivot’) bestätigt sehen und dort weitere strategische Reserven aufbauen. Nach der weitgehenden Neutralisierung der iranischen Nuklearbedrohung wird sich diese, oder die nächste amerikanische Regierung wiederum vermehrt mit Nordkorea zu beschäftigen haben.
Der Asia Pivot wiederum passt China überhaupt nicht, welches beharrlich auf das Ziel der weitgehenden Beherrschung des Westpazifik als sein ‘mare nostrum’ hinarbeitet. Die beiden einzigen gegenwärtigen Supermächte werden hier wohl beide gewisse Abstriche machen müssen, um der gemeinsamen Bedrohung durch Nordkorea entgegen zu treten. Dies ist allerdings die optimistische Perspektive. Ebenso gut kann das Gegenteil eintreten: eine weitere Erhöhunge der Spannungen zwischen Washington und Beijing wegen Nordkorea.
China könnte Rumpelstilz Kim wirtschaftlich in die Knie zwingen, fürchtet aber sowohl eine Flüchtlingsschwemme an seiner Ostgrenze als auch eine koreanische Wiedervereinigung unter westlichen Vorzeichen.
Stösst Chinas Entwicklungsmodell an seine Grenzen?
Dies umso mehr, als das chinesische Ausprägung von autoritärem Kapitalismus’ momentan schweren Belastungen ausgesetzt ist. Genau wie stark sich das chinesische Wirtschaftswachstum verlangsamt hat ist angesichts des entsprechenden - teilweise wohl absichtlichen - Statistiksalates kaum bezifferbar. Klar ist indes, dass die relative Wirtschaftsflaute im Reich der Mitte bereits weitgehende Konsequenzen hat, welche sich in den rohstoffproduzierenden Entwicklungsländern (emerging markets) bereits stark auswirken. Dadurch verlangsamt sich der säkulare Prozess der ‘Great Convergence’, das relative Aufholen von Entwicklungs- mit entwickelten Ländern seit 1990 - oder wird gar ins Gegenteil verkehrt.
Die gegenwärtigen und anhaltenden Turbulenzen an der Börse sind letztlich wohl ein Indikator, dass das gegenwärtige chinesische Wirtschaftsmodell als solches an seine Grenzen stösst. Ein Modell von staatlich gelenktem, auf politischen und nicht makoökonomischen Kriterien beruhenden Wirtschaftsmanagement, wo die Interessen der Staatspartei, letztlich eines Mannes, schwerer gewichtet werden als das Gemeinwohl. Das ist schlecht für China aber auch schlecht für den Rest der Welt, da damit die dritte Hauptstütze der Weltwirtschaft nach den USA und der EU ausfallen könnte.