Während man in der Schweiz nach einem Frieden suchte, ging der Krieg in Jemen unvermindert weiter. Der Waffenstillstand, dessen Einhaltung beide Seiten versprochen hatten, kam nicht wirklich zustande. Jede Partei warf der andern vor, das Abkommen gebrochen zu haben. Laut Angaben des saudischen Oberbefehlshabers haben die Huthis die Waffenruhe 150 Mal gebrochen.
Gleichzeitig drangen Truppen der saudischen Koalition an drei Fronten vor: An der Nordgrenze des Landes nahe der Rotmeer-Küste stiess eine neu gebildete Truppe, die aus tausend in Saudi-Arabien ausgebildete Soldaten besteht, vor und nahm nach heftigen Kämpfen die jemenitische Grenzstadt Harad in Besitz.
Saudischer Vormarsch im Nordosten und im Süden
Im Nordosten gelang es Truppen der Koalition, den Hauptflecken der Provinz Jawf, Hazm, einzunehmen. Jawf ist eine Wüstenprovinz, die östlich an die Provinzen Saada und Sanaa angrenzt.
Auch in der südlich von Jawf liegenden Erdöl- und Wüstenprovinz Marib stiessen die pro-saudischen Truppen und Stämme vor. Sie erreichten die Region Nahem, die bereits zur Provinz Sanaa gehört und etwa 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegt. Allerdings führt der Weg von Nahem nach Sanaa durch wilde Gebirge.
Hunger in Taez
Die Stadt Taez, südlich von Sanaa, blieb Schauplatz heftiger Kämpfe. Hier kämpfen die Huthis gegen den von ihnen belagerten "Volkswiderstand" von Taez. Die pro-saudischen Truppen versuchen weiterhin, von Süden her nach Taez vorzudringen, haben die Stadt aber noch immer nicht erreicht. Der Volkswiderstand hält das Zentrum der Stadt.
Auf der "Friedenskonferenz" am Bielersee hiess es, dass nun Hilfsgüter für alle Seiten frei zugelassen würden. Doch in Taez hinderten die Huthis die Hilfsorganisationen daran, grosse Mengen von Nahrungsmitteln in die Stadt zu liefern. Die Hilfsgüter hätten im Vorort al-Hawbam für die Bewohner der belagerten Stadt deponiert werden sollen. Doch die Ware gelangte in die Hände von Händlern; wie genau, ist umstritten. Die Huthis dementierten, dass sie die Ware verkauft hätten. Die Händler brachten sie auf Schleichwegen ins Innere der Stadt, wo sie auf dem Schwarzen Markt auftauchten.
"Der Huthi-Sieg steht bevor"
Da es sich um grosse Mengen von Hilfsgütern und Nahrungsmitteln handelte, brachen die Schwarzmarktpreise auf die Hälfte ein. Doch auch diese Hälfte ist noch immer zu viel Geld, als dass sich die verarmten Unterschichten mit den Gütern hätten versorgen können.
Die Huthis erklärten, sie würden weiterhin keine Nahrung in die Stadt einlassen, weil die Güter sonst dem Volkswiderstand und nicht der verarmten, ausharrenden Zivilbevölkerung zugutekämen. Jetzt sollen sunnitische Wohltätigkeitsorganisationen die Hilfsgüter aufkaufen und sie an die hungernde Bevölkerung verteilen.
Die Huthis mussten einräumen, dass „die Aggression“, wie sie die saudische Offensive nennen, im Norden Jemens Fortschritte gemacht hat. Doch Abdel Malik al-Huthi, ihr oberster Anführer, erklärte in einer Rede an das Volk, die er in Sanaa hielt, der Sieg der Huthis stehe bevor. Die gegenwärtigen Rückschläge seien darauf zurückzuführen, dass Saudi-Arabien mit Geld Truppenteile bestochen habe und dass einige lokale Kämpfer nachlässig geworden seien.
Huthi-Raketen auf Saudi-Arabien
Von der jemenitischen Nordgrenze aus feuerten die Huthis einige Raketen in Richtung Najran und Jizan. Das sind zwei saudische Städte nahe der saudisch-jemenitischen Grenze. Inzwischen hat Saudi-Arabien Patriot-Abwehrraketen entlang der Grenze in Stellung gebracht. Laut saudischen Angaben sind die meisten Raketen, die die Huthis abgeschossen hatten, abgefangen und zerstört worden. Andere seien in die Wüste gestürzt.
Saudi-Arabien erklärte unterdessen auch, die Abschussrampen der Huthi-Raketen seien von der saudischen Luftwaffe zerstört worden. Immerhin räumte ein saudischer Sprecher ein, dass bei den Raketenangriffen der Huthis drei saudische Zivilisten ums Leben gekommen seien. Der Spreche kündigte scharfe Vergeltung gegen den Raketenbeschuss der Huthis an. Die Mittelstreckenraketen, die die Huthis eingesetzt hatten, kommen offenbar aus Iran. Andere stammen aus jemenitischen Armeebeständen. Teile der jemenitischen Armee hatten sich den Huthis angeschlossen.
"Amerika", der Hauptfeind der Huthis
Abdel Malek al-Huthi griff in seiner Rede auch die Uno und ihre Vermittler an. Er erklärte, die Friedensgespräche in der Schweiz seien "auf Befehl des dortigen amerikanischen Botschafters" beendet worden. Dieser habe dem Uno-Sonderbeauftragten telefoniert und angeordnet, die Gespräche müssten aufhören. Was dann auch geschehen sei.
Dass der Huthi-Chef dies selbst glaubt, ist unwahrscheinlich. Doch viele der Huthi-Kämpfer aus dem jemenitischen Hinterland dürften bereit sein, derartige Mythen, wenn er sie erzählt, als die reine Wahrheit auszulegen. Zweck der Fabel dürfte gewesen sein, die Huthis darauf einzustimmen, dass die Kämpfe weitergehen müssten, denn "Amerika" stehe hinter dem Krieg. Die kriegerischen Taten und Töne auf beiden Seiten in Jemen lassen erkennen, dass immer noch keine echte Friedens- und Kompromissbereitschaft besteht.