England hat seine Windsors – die USA haben die Rockefellers. Königshäuser, Dynastien, Macht und Reichtum, das ist der Stoff, aus dem die Träume sind … Da wirft man gern mal einen Blick hinter die Kulissen und staunt, was die Reichen da so angesammelt haben.
Jetzt bietet sich die Gelegenheit, nicht nur zu staunen, sondern das eine oder andere Stück aus dem Haushalt der Rockefellers zu ergattern und damit neuen Glanz in die eigene Hütte zu bringen.
Weit über 1000 Gegenstände aus dem Hause Rockefeller, also Geschirr, Besteck, Möbel etc. kommen unter den Hammer. Und vor allem: Mehr als 550 hochkarätige Kunstwerke können ebenfalls ersteigert werden.
Zuschlag für Christie’s
Kein Wunder, dass auch in Zürich im Auktionshaus Christie’s ein Hauch von Aufregung in der Luft liegt … Denn Christie’s hat die Ehre, diesen feudalen Haushalt aufzulösen und an meistbietende Interessenten zu versteigern. Diese Auktion findet freilich nicht in Zürich statt, sondern in New York. Klar … dort, wo die Rockefellers ihr Riesenvermögen gemacht haben und wo Christie’s passenderweise auch im Rockefeller Center beheimatet ist. Man könnte fast sagen, logisch, dass Christie’s bei diesem Heimvorteil auch den Zuschlag für die Auktion bekommen hat, die den Rahmen einer «normalen» Auktion bei weitem sprengt.
Aufgeteilt ist die Auktion in eine Live-Versteigerung vom 7. bis 11. Mai in New York für die Hauptwerke und einer online-Versteigerung für Hausrat, Porzellan, Silber, Möbel etc. vom 1. bis 11 Mai.
So etwa mit 500 Millionen Dollar Erlös rechne man, sagt Hans-Peter Keller. Er ist in Zürich der Spezialist für Moderne Kunst und reist nächste Woche auch selbst nach New York. Um sich allenfalls für Schweizer Sammler stark zu machen ...? Ausser einem freundlichen Lächeln gibt er keine Antwort. Man kann allerdings vermuten, dass es auch Interessenten aus der Schweiz gibt, aber die Geheimniskrämerei um Auktionen herum verbietet jegliche Auskunft.
«Es kommen auch Werke unter den Hammer, die seit Jahrzehnten nicht mehr ausgestellt waren», sagt Hans-Peter Keller. «David Rockefeller hatte zwar nichts dagegen, dass von einzelnen Werken Reproduktionen gemacht wurden, aber in eine Ausstellung gab er sie nie. ‘Ich lebe mit ihnen’, sagte er und wollte die Bilder ständig um sich herumhaben.»
Enkel des Familienpatriarchen
David Rockefeller, dem all’ diese Besitztümer gehört hatten, ist vor etwa einem Jahr im hohen Alter von 101 Jahren gestorben. David Rockefeller war ein Enkel des legendären John D. Rockefeller und der letzte Nachkomme, der den Familienpatriarchen noch persönlich gekannt hatte.
John D. Rockefeller war auch derjenige, dem die Dynastie ihr Vermögen zu verdanken hat. Geboren wurde er 1839, gestorben ist er 1937, also fast 100 Jahre später. Als junger Mann war er noch in Cleveland als Makler tätig, stieg dann aber in das neu aufkommende Ölgeschäft ein und wurde einer der Gründungsaktionäre der neuen Firma Standard Oil. Er verlegte den Firmensitz nach New York, und die immer grösser werdende Automobilindustrie und der Erste Weltkrieg steigerten den Bedarf an Öl ins Unermessliche. Dank des Öls lief das Geschäft sozusagen wie geschmiert. John D. Rockefeller galt zu seiner Zeit als der reichste Mann der Welt.
Gleichzeitig war Wohltätigkeit für ihn eine Selbstverständlichkeit. Er unterstützte Wissenschaft, Bildung, Universitäten, das Gesundheitswesen und und und … Wohltätigkeit wurde zum Leitfaden auch der nachkommenden Rockefellers.
Bedeutende Kunstsammlung
Auch Enkel David Rockefeller, dessen Besitz nun versteigert wird, hielt die Familientradition ganz selbstverständlich aufrecht – und er expandierte darüber hinaus seine Interessen auch noch in Richtung Kunst. Begonnen hatte er seine Laufbahn als Assistenzmanager auf der Bank, die dann als Chase Manhattan zu einer der grössten anwuchs. David Rockefellers Mutter, Abby Aldrich Rockefeller, gehörte zu den Mitbegründerinnen des New Yorker MoMA, des Museum of Modern Art. Alfred Barr, der erste Direktor des MoMA, war auch ein Freund der Familie und so kam David Rockefeller zu einer beachtlichen Kunstsammlung. Unter anderem erwarb David Rockefeller auch die Sammlung der amerikanischen Schriftstellerin Gertrude Stein.
Durch ihre Freundschaft mit Picasso konnte sie während ihrer Zeit in Paris Bilder des Künstlers erwerben, die heute ein Millionenvermögen kosten. Insbesondere das Bild «Fillette à la corbeille fleurie» aus dem Jahre 1905 dürfte bei der Auktion einen Höchstpreis erzielen. Momentan rechnet man mit etwa hundert Millionen Dollar oder mehr. Das Bild hing jahrelang an prominenter Stelle im Hause Rockefeller und man darf gespannt sein, wo die «Fillette à la corbeille fleurie» landen wird. Daneben gibt es aber auch noch andere hochkarätige Werke: Rosen von Edouard Manet, Segelboote von Georges Seurat, eine Liegende von Henri Matisse, Seerosen von Claude Monet, Gemälde von Gauguin, Corot oder Delacroix. Ausserdem Werke der grossen Amerikaner: Edward Hopper, Georgia O’Keefe, Willem de Kooning oder Alexander Calder. Dies, um nur einige Namen zu nennen …
Erlös für gute Zwecke
«Viele Käufer werden wohl aus den USA kommen», vermutet Hans-Peter Keller von Christie’s. «Aber es ist auch nicht mehr so, dass Chinesen Chinesisches kaufen und Russen Russisches. Das hat sich sehr geändert. Einen Teil der versteigerten Werke wird man wohl auch in öffentlichen Sammlungen und Museen wiederfinden.»
Vieles ist in den sechziger Jahren gekauft worden. «Damals gab es die grossen Auktionen noch nicht. Zu jener Zeit lief das eher über Händler. Viele der Bilder aus der Rockefeller-Sammlung sind praktisch noch nie ausgestellt worden.»
Der Erlös aus der Versteigerung wird vollumfänglich für gute Zwecke eingesetzt. So wie es die Rockefellers sich zur Familientradition gemacht haben. Schon vor seinem Tod hat David Rockefeller zwei Milliarden Dollar seines Vermögens für wohltätige Zwecke gespendet. Hinzu kommt nun der Erlös aus der Auktion. Dieser geht unter anderem an die Harvard University, an den Maine Coast Heritage Trust (zum Umweltschutz an der Küste), an die Rockefeller University und verschiedene Stiftungen.
Geld zu haben, sei durchaus von Vorteil, sagte David Rockefeller in einem Interview.
Da ist wohl was dran … Rockefeller wusste, wovon er spricht.
Auktion der Sammlung Rockefeller
Christie’s New York
1.-11. Mai 2018