Sie sei früher auch gegen Quoten gewesen, sagte alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlump am 8. SWONET Business & Network Day im Campus Brugg-Windisch, aber heute denke sie anders. So könnte zum Beispiel in den Kantonsregierungen ein Mindestanteil an Frauen gesichert werden. Auch eine Quote von 30% Frauen beispielsweise in Verwaltungsräten sei ihrer Meinung nach vertretbar.
Andere Teilnehmerinnen am Podiumsgespräch meinten allerdings, Frauen müssten dank Kompetenzen in Spitzenpositionen kommen und sie selbst wären nicht gerne Quotenfrauen.
Frauen im Verwaltungsrat
350 Teilnehmerinnen und 50 Frauenorganisationen aus der ganzen Schweiz nahmen an diesem Frauen-Gipfeltreffen teil. Das Motto des Tages lautete: „Yes Women can“ – Grenzen als Orte des Ansporns“. Eingeladen hatte die Stiftung SWONET (Swiss Women Network) unter der Leitung von Petra Rohner.
Um Quoten ging es in einem Workshop auch beim Thema „Frauen mit Verwaltungsratsmandat“. Der Leiter des Workshops, der Headhunter Guido Schilling, meinte, dass es bis 2022 ohnehin eine positive lineare Entwicklung gäbe, so dass der Frauenanteil von 30% in den Top 100 Schweizer Firmen auch ohne Quoten erreicht werde. Er behauptete lapidar: „Unternehmen können es sich auf lange Sicht nicht erlauben, keine Frauen im VR zu haben.“
Steingeiss
Moderator Stephan Klapproth hatte in seiner Begrüssung eine Seelenverwandtschaft zwischen Widmer-Schlumpf und der altägyptische Königin Hatschepsut festgestellt. Er verglich die alt Bundesrätin auch mit einer Löwin, indem er ein Sprichwort abänderte: “Hundert Schafe, von einer Löwin geführt, sind gefährlicher als hundert Löwen, von einem Schaf geführt.“ Er sprach von einer Löwin, da die weiblichen Tiere offenbar viel mehr bei der Jagd und Aufzucht der jungen Tiere leisten. Darauf konterte Widmer-Schlumpf: Als symbolisches Tier würde sich der Steinbock anbieten, da sie aus dem Bündnerland komme, aber die weiblichen Tiere sind viel wendiger und ausdauernder, also wäre sie die Steingeiss.
Eveline Widmer-Schlumpf erzählte von ihren Grenzen und vom Ansporn, den sie auf allen Ebenen der politischen Arbeit erlebt hatte, durch die Anerkennung und Mitwirkung in diversen Frauenorganisationen: „Wir sprechen die gleiche Sprache“. Ihrer Meinung nach stehen viele Frauen sich auch selbst im Weg, aber solche subjektiven Grenzen können Menschen am besten zusammen überwinden, auch durch Mentoring. Es sei für sie in den schwierigen Momenten als Bundesrätin ein gutes Gefühl gewesen, dass die Frauenorganisationen in einer Demonstration volle Unterstützung zeigten, so dass sie sich nie allein fühlte.
Passivität ist Rückschritt
Mit viel Humor erzählte sie auch von ihren persönlichen Erfahrungen, an die strukturellen Grenzen zu gehen, denn es war nicht so einfach, z.B. das Kombi-Modell von Mutter und Berufspolitikerin zu verwirklichen. Geholfen haben ihrer Meinung nach die private Umgebung, die Familie sowie alle Frauen und Männer, die ihr Mut und Vertrauen gaben. Sie sagte sich einfach: es wird gehen. Sie sah die Grenzen als Chancen, wollte mit ihrer Biografie etwas tun, um die Situation der Frau zu verbessern. Sie appellierte an die Frauen, weiter aktiv für die Sache der Frau einzustehen, denn Passivität bedeute Rückschritt.
Gipfel-Workshop
Die Präsidentinnen der Schweizer Frauenorganisationen nutzten die Gelegenheit und trafen sich im Vorfeld der Tagung zum jährlichen Gipfeltreffen, mit einem speziellen Workshop-Programm unter der Leitung von AllianceF, Dachverband der Schweizerischen Frauenorganisationen. Christina Leimbacher, im Stiftungsrat von SWONET, berichtete dem Plenum über die Erfolgsfaktoren, um Frauenanliegen in der Politik durchzusetzen. Als Voraussetzungen für ein echtes Engagement zählte sie folgende auf:
- Betroffenheit und eigene Überzeugung
- Gegenseitige Unterstützung, auch Nachwuchsförderung
- Flexibilität und Ausdauer
- weniger Emotionen; sich nicht entmutigen lassen.
Zu den Erfolgsfaktoren gehören:
- Abschätzen können, wie wichtig das Anliegen ist.
- Fakten sammeln und Argumente herausarbeiten.
- Internationale Vergleiche herbeiziehen ( z.B. so genannte „Zebralisten“ der Parteien in Estland, d.h. abwechslungsweise ein Mann, eine Frau).
- Strategische Allianzen schmieden, insbesondere mit der Wirtschaft.
- Atypische Vertreter für das Anliegen gewinnen.
- Gute Geschichten konzipieren, Visualisieren durch Heldinnen und Vorbilder.
- Männer ins Boot holen.
Neu sei auch die Tendenz, nicht nur ein horizontales Netzwerk aufzubauen, sondern auch vertikal den Kontakt mit anderen Frauen und deren Anliegen zu suchen (z.B. eine Parlamentarierin wollte auch mit Frauen vom Übersetzungs- oder Reinigungsdienst sprechen). Die persönliche Betroffenheit sei besonders wichtig, damit das Anliegen mit Herzblut weiterverfolgt wird und man/ frau auch gute Players findet; alle Frauen, die selbst Beruf und Familie vereinbaren wollen, sind für strukturelle Grenzen wie Kinderbetreuung sensibilisiert und offener für Anliegen wie Teilzeitmodelle.
Weitere Informationen: www.swonet.ch