Die neue Resolution des Sicherheitsrates schreibt zum ersten Mal
praktische Schritte vor und setzt Zeitgrenzen, innerhalb deren
Friedensziele in Syrien erreicht werden sollen. Sie erklärt,
Verhandlungen sollten schon im Januar beginnen. Sechs Monate später solle eine "glaubwürdige Übergangsregierung mit exekutiven
Vollmachten" eingesetzt werden. Diese habe dann dafür zu sorgen, dass innerhalb von 18 Monaten eine neue Verfassung ausgearbeitet und Wahlen in Syrien durchgeführt werden.
Wer ist "die Opposition"?
Die Resolution beauftragt den Sondergesandten der Uno diese Ziele anzustreben. Sie empfiehlt auch einen Waffenstillstand so schnell wie möglich. Sie erklärt weiter, dass terroristische Gruppen wie IS und Nusra Front von dem Waffenstillstand auszuschliessen und zu bekämpfen seien. Nach der Uno- Entschliessung können auch "andere" Gruppen und Individuen als Terroristen gelten. Die Resolution erwähnt Asad mit keinem Wort.
Verhandeln sollen nach der Resolution die gegenwärtige syrische
Regierung und "die Opposition". Wer diese Opposition konkret sein
wird, ist dabei natürlich von entscheidender Wichtigkeit, jedoch nicht
in der Entschliessung festgelegt. Bekanntlich neigen die Russen dazu,
alle bewaffneten Gruppen in Syrien, die gegen das Regime kämpfen, als "terroristisch" einzustufen. Wenn diese Klassifikation gilt, wären sie
alle zu bekämpfen und von den Verhandlungen auszuschliessen.
Die Oppositionsgruppierung von Riad
In Riad haben im Vorfeld der Tagung des Sicherheitsrats Verhandlungen syrischer Oppositionsgruppen stattgefunden, die von Saudiarabien eingeladen waren, um gemeinsam eine Verhandlungsdelegation aufzustellen, die im Namen der Opposition sprechen könne. Dabei waren auch bewaffnete Gruppen geladen wie die "Freien Syriens" (Ahrar asch-Scham), die "Armee des Islams" (Dschund al-Islam) und "Heer der
Eroberung" (Dschaisch al-Islam). Die "Freien Syriens" gehören einem
Bündnis an, das von der Nusra Front angeführt wird. Ihre Delegierten
verliessen die Versammlung von Riad im Protest.
Sie sollen aber dennoch die Schlusserklärung der Zusammenkunft unterschrieben haben.Es gibt Hintergrund-Berichte, nach denen der Syrer Riad Hijab zum Verhandlungsführer der Gruppe von Riad gewählt worden sei. Dies sei mit 24 von 34 Stimmen geschehen. Riad Hijab war kurz Ministerpräsident Syriens, lief aber nach drei Monaten im Amt im November 2012 zur syrischen Opposition über und gab damals eine Erklärung ab, in der er das blutrünstige Regime von Damaskus scharf verurteilte. Schon damals erklärte der übergelaufene Ministerpräsident, die Politik Syriens befände sich völlig in iranischen Händen. Auch die Russen würden bei der Formulierung der syrischen Aussenpolitik mitbestimmen.
Eine Liste Jordaniens
Es gibt aber auch Berichte, nach denen Jordanien beauftragt worden
sei, eine Liste von terroristischen Gruppen aufzustellen. Die
jordanischen Diplomaten zogen die Meinung anderer Staaten bei, und sie stellten schliesslich eine Liste von 160 Gruppen auf, die alle als
terroristisch zu gelten hätten. Die drei oben erwähnten grösseren
Kampfgruppen sind darunter. Es wird erwartet, dass diese Liste mit den
sogenannten Freunden Syriens (International Syrien Support Group
ISSG), einer Gruppierung von 17 Staaten, und wohl auch mit dem
Bevollmächtigten des Sicherheitsrates, Stefan de Mistura, in einem
zweiten Durchgang heruntergehandelt und reduziert werden wird.
Der Umstand jedoch, dass nach dem Text der Sicherheitsratsresolution
völlig unbestimmt auch "andere" (neben IS und Nusra) als Terroristen
gelten können, zeigt, dass keine Einigung zwischen den Freunden Asads und seinen Gegnern - darunter die Russen einerseits, die Amerikaner auf der Gegenseite - darüber besteht, wer genau "Terroristen" seien und daher weiter bekämpft werden müsse. Erst falls und wenn eine für alle Beteiligten annehmbare Übereinkunft darüber besteht, wer als Terrorist zu gelten hat, besteht die Möglicheit, den in der Resolution geforderten Waffenstillstand zu verwirklichen, weil dieser ja mit den "nicht Terroristen" geschlossen werden, jedoch mit den Terroristen nicht zustande kommen soll.
Diplomatisches Schweigen über Asad
Diplomatisch unbestimmt bleibt in der Resolution auch die andere
Grundfrage, über der - wie zur Genüge bekannt ist - Uneinigkeit unter
den "Freunden Syrien" herrscht. Nämlich die Zukunft Asads. Die
Resolution fordert eine glaubwürdige Übergangsregierung mit exekutiven Vollmachten schon in sechs Monaten. Doch ob Asad (als Präsident?) an dieser Übergangsregierung beteiligt werden soll (wie die Russen und Iraner es fordern) oder ob er auszuschliessen sei, wie es alle bewaffneten Oppositionsgruppen begehren und die Amerikaner mindestens insofern zustimmen, als sie einen feststehenden Endtermin für die Herrschaft Asads verlangen - dies wird in der Uno Resolution völlig offen gelassen.
Vorbedingungen für Wirksamkeit
Es bleibt festzuhalten, bevor die in der Resolution schon auf Anfang
Januar angesetzten Verhandlungen beginnen können, muss klar gestellt werden, wer die Verhandlungspartner sein werden. Das Asad-Regime mit oder ohne Asad auf der einen Seite und die "Opposition" mit oder ohne (und falls ja mit welchen?) bewaffneten Aufstandsgruppen.
Auch der erhoffte Waffenstillstand kann schwerlich zustande kommen,
solange nicht klar wird, ob und welche der Kampfgruppen in die
Verhandlungen einbezogen werden, denn wer ausgeschlossen bleibt, wird weiter kämpfen und wäre nach der Resolution auch weiterhin zu
bekämpfen
Fehlende Grundlagen
All dies führt zu der Schlussfolgerung: Die Resolution greift in den
entscheidenen Punkten nicht wirklich über das oft zitierte Genfer
Communiqué der "Freunde Syriens" vom 30. Juni 2012 hinaus. Schon
damals wurde eine "glaubwürdige Übergangsregierung" gefordert sowie ein Waffenstillstand. Doch sie kamen nicht zustande, weil offen
geblieben war, wer diese Übergangsregierung zu bilden habe und mit wem der Waffenstillstand abzuschliessen sei. Seither haben vier
zusätzliche, grausame Bürgerkriegsjahre die Lage verschlimmert und
verschärft, und die Luftwaffen sowohl der Amerikaner wie auch der
Russen haben sich seither auf entgegengesetzten Seiten eingemischt.
Heute gilt mehr als je: es sind die Aussenmächte, die nicht bloss
verbal sondern tatsächlich in Bezug auf die umstrittenen harten
Fakten, übereinkommen müssten, wenn der syrische Stellvertreter- und
Bürgerkrieg wirklich beigelegt werden soll.