«Bewusst oder aus Dummheit» unterminierten sie die Arbeit seiner Regierung, keilte der griechische Premierminister Samaras in Richtung deutsche Politiker, die seine Sparbemühungen kritisierten. Das Athener Magazin «Crash» legt noch einen drauf, zeigt Bundeskanzlerin Merkel in Handschellen und Sträflingsuniform und fordert: «Stellt sie vor Gericht wegen des Völkermords an den Griechen.» Da will die italienische Presse nicht zurückstehen und fantasiert vom «4. Reich», das Deutschland unter Merkel installieren wolle.
Der hässliche Deutsche
Ganz unverdient ist das Gekeife nicht. «An Griechenland muss ein Exempel statuiert werden», donnert der bayerische CSU-Finanzminister Söder, denn: «Irgendwann muss jeder bei Mama ausziehen, und die Griechen sind jetzt so weit.»
Natürlich werden allenthalben warnende Stimmen laut, die vor einer Fortsetzung dieses Umgangstons warnen. Aber er reflektiert nur die aufkochende Stimmung im Endspiel um den Euro. Und da zeichnet sich wieder einmal ein aus der Geschichte bekanntes Bild ab: alle gegen den hässlichen Deutschen.
Für Liebe zahlen?
67 Jahre nach dem Ende des letzten von Deutschland verbrochenen Weltkriegs nehmen viele Deutsche verblüfft zur Kenntnis, dass sie immer noch und sehr schnell als Nazis beschimpft werden. Dabei haben sie doch die deutsch-französische Freundschaft mitausgerufen, die deutsch-italienische, englische, spanische, griechische dazu, können sich sogar in Polen wieder blicken lassen.
Und Ex-Bundeskanzler Schröder verbindet mit dem «lupenreinen Demokraten» Putin eine Männerfreundschaft wie weiland Kohl mit Gorbatschow. Und dann erst der Bau des europäischen Hauses, für den niemand so viel bezahlt hat (und bis zum Abriss so viel zahlen wird) wie die Deutschen. Kann man denn Liebe nicht kaufen?
Grundlagenirrtum eins
«Zwischen Staaten gibt es keine Freundschaft, sondern nur Interessen», sagte Charles de Gaulle ganz richtig, und in diesem Sinne reichte er dem damaligen deutschen Bundeskanzler Adenauer die Hand. Im Bemühen, in Europa nicht nur wegen ihren Erfolgen nach dem Zweiten Weltkrieg geachtet und beneidet zu werden, sondern sogar geliebt, unterliegen viele Deutsche einem Grundlagenirrtum.
Es gibt keine Liebe zwischen Nationen, nicht mal Sympathie. Höchstens Zweckbündnisse, aber auch nur, solange sie den eigenen Interessen dienen. Ein Pleitestaat wie Griechenland, wankende Staaten wie Spanien oder Italien, ein ins Hintertreffen geratendes Frankreich, diese Staaten haben ein gemeinsames Interesse: sie brauchen finanzielle Unterstützung. Von Deutschland, von wem sonst?
Grundlagenirrtum zwei
Deutschland hatte von Beginn der Eurokrise an nur zwei Handlungsoptionen. Eurobonds, also Vergemeinschaftung aller Schulden in einer Haftungsallianz, plus weit geöffnete Geldschleusen der Europäischen Zentralbank EZB. Oder aber der sofortige Ausstieg der wirtschaftlich übermächtigen Nation, die sich sonst selbst und alle anderen zu Tode exportiert.
Weder noch, wurde stattdessen entschieden. Das führte dann dazu, dass Deutschland einen grossen Teil seiner Exporte in die Eurozone sozusagen selbst finanzierte. Während einige weitere Eurostaaten mit den billigen Krediten, an die sie mit ihrer Nationalwährung nicht im Traum gekommen wären, jede Menge Unsinn anstellten.
Gewohnheit regiert
Nachdem sich alle Eurostaaten über Jahre an diesen vermeintlich schönen Zustand gewöhnt haben, wird nun die Rechnung präsentiert. «Wir brauchen noch mehr Geld», sagen die einen, «ihr müsst jetzt endlich mal sparen», sagt Deutschland. Weder das eine noch das andere löst die strukturellen wirtschaftlichen Probleme von Griechenland, Spanien, Italien und Co.
Aber wie jeder Gläubiger, der an seinen Schuldner Forderungen stellt, macht sich Deutschland natürlich gewaltig unbeliebt. Ganz unabhängig davon, ob seine Handlungsanleitungen sinnvoll oder hirnrissig sind. «Wer zahlt, befiehlt» ist zwar ein durchaus richtiges Prinzip, gibt aber massig Ärger, wenn es zwischen Nationen angewendet wird.
Nach den Worten die Taten
Wenn selbst führende Politiker demagogische Schlagworte hervorholen, der deutsche Herrenmensch gegen den faulen Griechen, deutsche Fleissigkeit gegen italienisches «dolce far niente», dazu der Führungsanspruch der «Grande Nation» und der Stolz der Spanier, was kommt dann? In guter alter europäischer Tradition immer schrillere nationalistische Töne, gegenseitiges Übelnehmen und Beleidigtsein. Und schliesslich die notwendige Verteidigung der eigenen Interessen. Natürlich mit allen Mitteln und auch im Ausland. Und wer weiss, vielleicht stimmen die deutschen Sozialdemokraten dann auch wieder neuen Kriegskrediten zu.