Obwohl Analysten nur ungern klare Ansagen machen, lehnt sich beispielsweise die UBS weit aus dem Fenster und gibt bereits einen möglichen Termin für den griechischen Staatsbankrott bekannt: März 2012. Ich würde allerdings bei solchen Prognosen eher empfehlen, zu würfeln. Obwohl die Hellenen pleite waren, sind und sein werden. Wieso dieser Widerspruch?
Die Fakten
Griechenland sitzt im Augenblick auf offiziellen Staatsschulden von rund 350 Milliarden Euro, das sind mehr als 160 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Davon befinden sich, Genaues weiss man nicht wirklich, 200 Milliarden bei privaten Gläubigern, zum grössten Teil bei Banken, Versicherungen und Hedgefonds. Es handelt sich hier um Nominalwerte. Wie viel zum Beispiel Hedgefonds in Wirklichkeit gezahlt haben, bei Marktpreisen, die bis zu 75 Prozent darunter liegen, weiss niemand. Genauso wenig, wie viele implizite Schulden, also Sozialversprechungen wie Renten, Griechenland darauf gestülpt hat. Alle «Rettungspläne» gehen davon aus, dass mit einem Schuldenschnitt von rund 50 Prozent dieser Berg bis zum Jahr 2020 auf «nur» 120 Prozent sinken würde. Unter der Voraussetzung, dass die griechische Wirtschaft ab 2013 kräftig wächst.
Die Analyse
Die Annahmen der Rettungspläne für Griechenland sind barer Unsinn, das weiss eigentlich jeder. Eine sich in tiefer Rezession befindliche Volkswirtschaft soll kräftig wachsen? Bei gleichzeitigen staatlichen Sparmassnahmen, die die Kaufkraft weiter Teile der Bevölkerung verringern, die Investitionsbereitschaft auf nahe Null absenken? Oder noch einfacher gefragt: Wer hat heute Vertrauen in die Zukunft der griechischen Volkswirtschaft? Wer würde diesem Land noch freiwillig Geld leihen? Niemand, ausser er ist Spekulant und setzt darauf, dass die EU-Steuerzahler die Zeche zahlen. Das ist bislang die finstere Absicht der Eurokraten.
Wie viele Krisengipfel gab es 2011 genau? Wer erinnert sich noch? Und endete nicht jeder mit dem Versprechen, dass nun aber die Eurokrise wirklich gelöst, zumindest im Griff sei? Und warum wird dann auch zu Beginn von 2012 hektisch verhandelt, um den genau wie Anfang 2011 drohenden Staatsbankrott Griechenlands zu verhindern? Die Antwort ist ganz einfach: Weil die Politiker, trotz von ihnen geschaffenen undemokratischen Dunkelkammern wie einer «Troika», jeder demokratischen Kontrolle entzogenen Rettungsschirmen mit monströsen Namen wie EFSF und ESM, wobei Letzterer zunächst Ersteren ablösen sollte, ohne Sachverstand vor sich hinwursteln. Mit dem Rücken zur Realität weiter an Wolkenkuckucksheimen basteln.
Kein Problem ist unlösbar
Dabei liegen mögliche Lösungswege auf der Hand. Griechenland braucht einen «Haircut», also einen Schuldenschnitt von 90 Prozent, Portugal von mindestens 40 Prozent. Selbstverständlich ohne «freiwillige» Beteiligung von privaten Gläubigern. Damit soll ja lediglich das Greifen von CDS, Kreditausfallversicherungen, umgangen werden. Aber wer will denn noch einem Staat Geld leihen, wenn er sich nicht einmal gegen einen Kreditausfall versichern kann? Statt die wankenden europäischen Banken nur mit Liquidität, also Gratisgeld in Multimilliardenhöhe zu überschwemmen, müssen sie rekapitalisiert werden. Das geht natürlich nur mittels Zwangsverstaatlichung. Insolvente Banken ohne Überlebenschance müssen auf Kosten ihrer Besitzer abgewickelt werden.
Obwohl die Europäische Zentralbank bereits auf mehr oder minder faulen Staatspapieren im Wert von mehr als 200 Milliarden Euro sitzt, traut sie sich nicht, einen naheliegenden Befreiungsschlag anzukünden: Die EZB teilt mit, dass sie keine Bondrenditen, die höher als 1 oder 1,5 Prozent über den Zinsen von deutschen Bundesanleihen liegen, bspw. bei Italien oder Spanien, akzeptiert. Wer das austesten möchte, legt sich mit der unbegrenzten Feuerkraft der EZB an. Zudem braucht es einen europäischen Währungsfonds mit einer Stärke von, sagen wir, 4000 Milliarden. Dazu eine europäische Bankenaufsicht mit Kriterien für die Abwicklung insolventer Institute und einem Spareinlagenschutz. Und schliesslich die offizielle Ankündigung, dass europäische Staaten untereinander für Schulden bürgen.
Entsouveränisierung
Das würde beinhalten, dass faktisch schon vorhandene Strukturen, dass nämlich Staaten wie Griechenland unter Kuratel gestellt werden und nicht mehr souverän über ihr Geschick entscheiden können, endlich offiziell verankert werden. Das gilt natürlich auch für Spanien und Italien. Die Ausgabe von Eurobonds durch die EZB würde zudem endlich ein sicheres Anlagepapier schaffen, das reissenden Absatz fände. Denn wenn man nicht an einen Weltuntergang glaubt, wo sollen denn grosse institutionelle Anleger ihr Kapital sonst hinbringen?
Naheliegende Schlüsse aus der Realität
Einzelne Staaten wie Deutschland oder Dänemark können sich im Moment Geld umsonst leihen. Andere, wie Griechenland, kriegen nicht mal Kredite auf dem freien Markt. Und weitere Staaten wie Italien oder Spanien müssen Zinsen zahlen, die nicht zu erwirtschaften sind. Jeder neue Termin, an dem europäische Wackelstaaten ihre Schuldenberge refinanzieren müssen, wird wie das Explodieren einer Zeitbombe mit Bangen und Zagen erwartet. Das ist die aktuelle Realität, aus der unter Anwendung des Einmaleins obige Schlüsse gezogen werden müssen. Müssten, denn wetten, dass es die Eurokraten weiterhin versemmeln?