Nun, beide Päpste, der zurückgetretene deutsche (Benedikt XVI) und der amtierende argentinische (Franziskus) hatten es in der Schicksalsnacht auf Montag vorgezogen, vorzeitig zu Bett zu gehen, nachdem auf den Bildschirmen weltweit nach wie vor nur das schreckliche 0:0 zu sehen war, und nicht abzuwarten, mit welchen fussballtechnischen Tricks denn das Patt aufgelöst werden sollte.
Jubel im südtiroler Ferienort
Ich, alles andere als ein Fussballexperte und sicher kein Fussballfan, aber meiner zeitweiligen Heimat Argentinien doch noch irgendwie sentimental verbunden, tat es den beiden Päpsten im fernen Rom gleich und ging – an diesem Abend schon etwas übermüdet – zu Bett, und verzichtete darauf, mir den endgültigen Ausgang dieser WM live zu Gemüte zu führen: Denn wer möchte schon päpstlicher sein als der Papst - oder gar päpstlicher als gleich zwei Päpste.
Als ich gerade am Einschlafen war, wurde mir dieses Ergebnis dennoch zu Ohren getragen, ob ich es wollte oder nicht: Vor meinem Fenster in dem Südtiroler Urlaubsort, in dem ich mich gerade aufhielt, brach großer Jubel los. Einmal, dann war es wieder still. Aha, schloss ich trotz Halbschlaf mit erstaunlichem Scharfsinn: Dass sich ausgerechnet eine Busladung Porteños („Hafenbewohner“, wie sich die Einwohner von Buenos Aires selbst bezeichnen) in diesen Ort in den Dolomiten verirrt haben könnte, war doch eher unwahrscheinlich. Also, schloss ich messerscharf, musste es sich bei den Jubelnden um Deutsche handeln. Und da sie lediglich einmal jubelten, stand es 1:0. Für Deutschland. Fall klar. Ich drehte mich um und schlief weiter.
Der Jargon des „Kronen Zeitung“-Kommentators
Die Schweiz hatte sich tapfer geschlagen gegen den zweifachen Ex-Weltmeister Argentinien und wenn in der fast allerletzten Minuten dieser blöde Torpfosten nicht im Wege gestanden hätte – wer weiss. Aber ich bin, wie gesagt, weit davon entfernt, etwas von Fussball zu verstehen. 1,944 Millionen Österreicher – ein Viertel der Gesamtbevölkerung, immerhin - erhielten am ORF-Fernsehen zwar keine Gelegenheit der eigenen Mannschaft zuzujubeln. Aber Österreichs grösste Tageszeitung, die „Kronen Zeitung“ unter der Federführung des Herrn Jeannee machte den Bewohnern der Bewohnern Alpenrepublik unmissverständlich klar, für wen ihre Herzen zu schlagen hatten: Für „deutsche Tugenden“. Für das „Aufbäumen in scheinbar aussichtsloser Situation“ - „heute die Brasilianer und morgen die ganze Fußballwelt. Mit einem Endspielsieg in Rio“. „Jogi Jogi über alles, über alles in der Welt“.
Hoppla. Das klingt ja wie der neueste Wehrmachts-Bericht von der Ostfront. Der Krieg ist aus, Herr Jeannee, falls Ihnen das entgangen sein sollte. Gottseidank. Und die Wehrmacht hat ihn gottseidank verloren. Das NS-Reich ist untergegangen, Herr Jeannee. Götterdämmerung. Der Fussballmannschaft der Bundesrepublik Deutschland allerdings sei der wohlverdiente Sieg im Endspiel der WM, der dennoch kein „Endsieg“ war, von Herzen !
(Dies Glosse ist zuerst in den "Vorarlberger Nachrichten" erschienen)