Jörg Thalmann, ein überzeugter Pro-Europäer, bestach immer wieder mit seinen fundierten, nuancierten Europa-Artikeln, die sich mit viel Sachverstand auszeichneten. Polemik war ihm fern, Pauschalisierungen ebenso. Das hob ihn ab von manchen, die über Brüssel schreiben. Er stand der EU durchaus kritisch gegenüber, legte immer wieder den Finger auf Schwachpunkte, war aber überzeugt, dass Europa die Zukunft ist. Immer wieder betonte er die friedenssichernde Funktion der EU. Das Anti-Europa-Geheul war ihm zuwider.
Er selbst bezeichnet sich als "europhiler Schweizer Patriot". Er sei "ein Anhänger der Einigung Europas und Verteidiger der EU" und gleichzeitig "ein Schweizer Patriot, stolz auf den einzigen Staat der Welt, der den Letztentsscheid über seine Politik seinen Bürgern anvertraut". All das würde sich nicht ausschliessen.
Am 17. Februar 2014 – mit Distanz - kommentierte Thalmann das Ja der Schweizer Stimmenden zur Masseneinwanderungsinitiative noch einmal. Es war einer seiner meist beachteten und meist-zitierten Artikel. Wir publizieren ihn separat erneut.
Am 9. Juli dieses Jahres, schon schwer von seiner Krankheit gezeichnet, schrieb er den letzten Artikel für Journal21, über die „Vierte EU-Freiheit und die Schweiz“.
NZZ, Basler Nachrichten, Radio DRS etc.
Jörg litt seit langer Zeit an Schmerzen, vor allem im Rücken. Viermal unterzog er sich in diesem Jahr einer Operation. Immer wieder meldete er sich dazwischen mit Artikeln und freundlichen Mails. Nach einem Eingriff an der Wirbelsäule entwickelten sich eine Infektion und später eine Lungenentzündung. Jörg Thalmann starb am Dienstag früh in der Brüsseler Clinique du Parc Léopold. Die Kremation findet an diesem Freitag in Brüssel statt, wo er auch bestattet wird.
Jörg Thalmann wuchs in Winterthur auf. In Zürich studierte er Literatur, Philosophie und Geschichte. Mit einer Dissertation über Kafka doktorierte er.
1962 – 1963 arbeitete Jörg bei der NZZ, 1964 – 1967 war er Auslandredaktor bei den Basler Nachrichten, 1967 – 1997 Brüsseler Korrespondent für Deutschschweizer Regionalzeitungen. Bis 1982 berichtete und kommentierte er auch aus Brüssel für Radio DRS.
Seine Themen waren die EG, dann die EU, die Schweizer Verhandlungen mit Brüssel, die Bilateralen, die Nato, der Kalte Krieg, die Ost-West-Spannungen, die Rüstung und vieles mehr.
Als Buchautor schrieb er über Kafka, die Revision der Schweizer Bundesverfassung („Helvetische Alternative“). Er war Mitglied der Furgler-Kommmission für eine Revision der Bundesverfassung. Er schrieb über den Binnenmarkt der EWG und über den „Islam und wir“. Er war Mitglied der Generalversammlung der Fondation Jean-Monnet pour l’Europe in Lausanne. Seit 1997 lebt er in Brüssel. 2012 stiess er zum Journal21, wo er sich als begehrter Vielschreiber auszeichnete. Fast jede Woche steuerte er uns einen fundierten Artikel bei, der immer grosse Beachtung fand.
(J21/hh)