So Anfang November erhält ein rüstiger Milliardär, nennen wir ihn «Deep Throat III», einen Tipp von einem Zürcher Staatsanwalt: Gegen Zuppiger ist eine Strafanzeige eingetroffen. Grosses Problem. Entweder erfahren das auch die zahlreichen Gegner des frisch zum Bundesratskandidaten Gekürten – oder der gewählte Bundesrat wird kurz nach Amtsantritt von seiner Vergangenheit eingeholt. «Deep Throat III» muss schnell handeln, Zuppiger muss weg.
Angriff von rechts unten
Damit keine unerwünschte Solidarität mit dem Abgeschossenen entsteht, darf der Angriff nicht von vorne und auch nicht von aussen kommen. Sondern von hinten, unten und rechts. Also von der «Weltwoche». So schlägt man drei Fliegen mit einer Fliegenklatsche. – Roger Köppel, der an Blochers Nabelschnur hängende Pseudoeigentümer, kann so tun, als sei er SVP-kritisch. – Die SVP begreift: Wenn Köppel schiesst, dann wollte das «Deep Throat III» so. Also kein Platz für Solidarität mit Zuppiger. – Die «Weltwoche» ist ja das einzige Blatt, das sich innert weniger Tage und ohne wirkliche Quelle zu medialen Exekutionen hergibt. Manchmal gibt es Geschichten, die wiederholen sich schneller, als man glaubt.
Nochmal, weil’s so schön war
Irgendwann im Herbst erhält «Deep Throat III» einen Tipp von einem Thurgauer Anwalt: Der SNB-Chef mache unerlaubte Devisengeschäfte. Der Anwalt fasst den Auftrag, Beweise zu finden, denn irgendwas muss «Deep Throat III» ja in der Hand haben. Ausserdem war er sauer. Zuppiger war abgeschossen, Maurer verblieb alleine im Bundesrat, und die SVP stand mit abgesägten Hosen da. Da sollte es doch möglich sein, wenigstens Philipp Hildebrand wegzuhauen, was im ersten Anlauf in die Hose gegangen war. Zwei Gespräche mit der damaligen Bundespräsidentin Calmy-Rey blieben ohne Ergebnis, da sie nach Beweisen für die Vorwürfe verlangte. Die Luft wurde etwas dünn, also traf sich «Deep Throat III» mit dem Informanten. Ob er oder der Anwalt dem armen Reto T. einheizte, wissen wir (noch) nicht. Wir kennen nur das Ende der Geschichte: Beim dritten Besuch von «Deep Throat III» bei der Bundespräsidentin am 15. Dezember wurden Unterlagen vorgezeigt, die Reto T. bei Sarasin geklaut hatte. Das Ziel rückte in greifbare Nähe.
Dumm gelaufen
Zur grossen Frustration von «Deep Throat III» wurde am 23. Dezember ein entlastender Bericht vorgelegt, es war Weihnachtszeit, die Bombe mit angeblichen Verstössen gegen angebliche Vorschriften von Hildebrand wollte nicht so richtig hochgehen. Nasse Zündschnur. Zudem stellte sich Informant Reto T., in der richtigen Annahme, dass er in Teufels Küche geraten war, der Polizei. Die Medien merkten nun, nachdem sie sich vom Neujahrskater erholt hatten, auf. Die Schweizer Nationalbank und Hildebrand kamen spät, aber immerhin zum Schluss, eine wichtige Information zu verbreiten: Der famose Auftrag zum Kauf von US-Dollar war von Frau Hildebrand erteilt worden, weitere Klärungen würden am 5. Januar folgen.
Angriff ist die beste Verteidigung
Nun musste blitzartig eine Attacke gegen Hildebrand geritten werden. Als Sturmgeschütz diente die Behauptung, er selbst habe das fragliche Dollargeschäft gemacht, in Stellung gebracht wurde es in aller Eile am 4. Januar, verbreitet wurde die Behauptung über die «Weltwoche». Womit wir wieder beim ersten Teil unserer frei erfunden Story sind. Die «Weltwoche» ist das einzige Organ in der Schweiz, das ohne eigene Recherchen eine Geschichte druckt und aus einer unbelegten Prämisse radikale Konsequenzen zieht. Also forderte die monothematische Ausgabe vom 5. Januar die Köpfe von Hildebrand, drei Bundesräten und allen Journalisten ausserhalb der «Weltwoche».
Zurück in die Realität
Wir wissen heute: Einziger Informant der «Weltwoche» war Anwalt Hermann Lei. Autor Engeler hat nicht mal mit dem eigentlichen Informanten Reto T. gesprochen. Der Journalist des Jahres hat sich für seine Behauptung, Hildebrand habe selber das Dollar-Geschäft abgeschlossen, einzig auf einen Informanten gestützt, der es weder selbst wissen noch beweisen konnte. Einzige Quelle Leis ist Reto T. Das macht Reto T. weder zu einer verlässlichen Quelle, noch macht es Lei zu einer Quelle. Das Fehlen jeder Quelle für die zentrale Behauptung, Hildebrand habe selber das Geschäft abgeschlossen und lüge, wenn er es abstreite, hinderten weder Engeler noch seinen Chefredaktor Köppel noch weitere Mitschreiber wie Kurt W. Zimmermann daran, die aufgetragene Hinrichtung von Hildebrand zu versuchen.
Neue Nebelgranaten
Leider können die gescheiterten Scharfrichter in den Medien ungerührt erzählen, die wenigsten Geschichten hätten zwei unabhängige Quellen und es käme ja gar nicht darauf an, ob Frau oder Herr Hildebrand das Geschäft gemacht hätten, und überhaupt, vielleicht habe man sich da geirrt. In diesem Falle hätte vielleicht Frau Hildebrand den amerikanischen Fiskus hintergehen wollen. Die Kampagne geht also ungerührt weiter, einfach mit neuen Behauptungen. Weiterhin ohne Quellen oder Beweise, aber die braucht man bei der «Weltwoche» ja nicht.
Dummheit ist nicht strafbar
Der mehrfache Verstoss gegen journalistische Grundsätze auch nicht. Aber das Klauen der Bankdaten, die Ehrverletzungen gegenüber Hildebrand. Wohl auch die Weitergabe der geklauten Daten oder deren Verwendung. Nicht umsonst hat sich der Rechtsanwalt Lei einen Anwalt genommen, der weiss, wo Anwaltsrecht endet und die Strafbarkeit beginnt. Aber wir sind hier zu stark aus der Welt der «Weltwoche» ausgebrochen, kehren wir zum Schluss nochmals zu einer reinen Erfindung, Behauptung, zu einer Fiktion zurück.
Was wäre, wenn
Kehren wir nochmals zum 23. Dezember 2011 zurück und entwickeln im Konjunktiv eine lustige Story. Wir dürfen ja davon ausgehen, dass auch der Bundesrat über das Pressecommuniqué der Nationalbank, das an diesem Tag um 18.00 h publiziert wurde, im Voraus informiert worden war. Damit auch dessen einziges SVP-Mitglied. Das greift zum Telefon und informiert «Deep Throat III», denn beide erkennen: Damit standen sie abermals vor einem Scherbenhaufen. «Deep Throat III» alarmiert Nationalrat Kaufmann, der wenige Stunden vor der Publikation der Schweizerischen Nationalbank angeblich gestützt auf ihm zugetragene Gerüchte eine Interpellation deponiert. Das erlaubt, die Sache auf parlamentarischer Ebene am Kochen zu halten, wenn der publizistische Sturmangriff scheitern sollte. Das sind alles, wohlgemerkt, völlig unbewiesene Imaginationen, die Sie für ein Mal ausserhalb der «Weltwoche» lesen. Aber einem Plausibilitäts-Check könnten sie standhalten, oder?