Bald ist es soweit: Wir setzen uns ins Auto, tippen eine Adresse ein – und werden automatisch ans Ziel gefahren. Ein Computer lenkt den Wagen durch das Verkehrschaos, er meidet Staus und Unfälle. Steuerrad und Bremspedal werden überflüssig. Wir sitzen einfach im Wagen und lassen uns kutschieren.
Währen das Auto uns ans Ziel bringt, lesen wir die Zeitung, schauen einen Film oder arbeiten auf dem Laptop. Der Wagen wird zum Büro. Die Zeit, die wir früher mit Autofahren vertrödelten, können wir jetzt sinnvoll nutzen.
Experten prophezeien, dass das autonome, vernetzte Fahren, diese grosse Mobilitätsrevolution, in zehn Jahren Wirklichkeit sein wird.
Natürlich ist das toll, es wird weniger Unfälle geben, denn GPS-gesteuerte Wagen sind verlässlicher als nervöse Autofahrer.
Gezüchtete Frustrationen
Nur: Was ist mit jenen, die wirkliches, klassisches Autofahren über alles lieben? Jene, für die Autofahren ein Sport ist, eine Selbstbestätigung, eine Selbstverwirklichung, eine Selbstbefriedigung? Jene, die das Auto als ihr liebstes Spielzeug verhätscheln? Oder für jene, die ihre Aggressionen am Steuer abreagieren? Polizei und Psychiater wissen, dass das mehr sind, als wir glauben.
Wie arme Häufchen sitzen sie dann in ihrem Auto und lassen alles über sich ergehen. Sie können nicht überholen, wo sie doch überholen möchten, nicht den Vogel zeigen, wo sie ihn zeigen möchten. Sie können dem andern nicht demonstrieren, wie stark doch ihr Auto ist – und wie lahm das andere. Sie können nicht aufs Gaspedal treten und der Lady auf dem Nebensitz imponieren. Wie auf der Bank in der Sonntagsschule sitzen sie da und schauen apathisch durchs Fenster.
Schrecklich. Das züchtet Frustrationen. Was geschieht mit den nichtausgelebten Aggressionen?
Wird sich die Mobilitätsrevolution auf die Gesellschaft auswirken? Werden die unterdrückten Frustrationen mehr häusliche Gewalt bringen? Wird es weniger Tote und Verletzte im Verkehr geben, dafür mehr Tote und Verletzte zu Hause oder im Büro oder bei McDonalds? Werden die Umgangsformen noch rauer?
Der neue Mörder
Noch etwas ist zu beachten: Die anstehende Mobilitätsrevolution könnte eine neue Gattung Mörder hervorbringen.
Jetzt muss man nicht mehr zur Pistole oder zu Zyankali greifen, um jemanden abzuknallen oder zu vergiften. Wer jemanden umbringen will, geht zu einem Hacker.
Man muss sich nicht mit Blut beschmieren und keine Angst vor DNA-Proben oder Zeugenaussagen haben. Alles geht ganz sauber und smoothly.
Der Auftragshacker greift in die GPS-Programmierung des zum Tode Geweihten ein. So steuert er seinen Wagen – bei höchster Geschwindigkeit – frontal gegen eine robuste Eiche. Und weg ist er.