Diese Zone muss regelmässig überwacht werden. Die Gefahr eines Abschusses der Patrouillen-Flugzeuge muss beseitigt werden. Doch es ist schon heute klar, dass die Flugverbotszone alleine nicht das einzige Ziel der internationalen Aktion sein und bleiben wird.
Schutz der Libyer vor Ghadhafi
Der Uno-Beschluss ermächtigt die eingreifenden Staaten auch, die Zivilbevölkerung in Libyen vor den Streitkräften Ghadhafis zu schützen. Im Namen dieses weiter gefassten Ziels sind bereits die Franzosen gegen Tanks vorgegangen, die nach Benghasi einzudringen versuchten. Man kann erwarten, dass vergleichbare Schritte sich wiederholen werden. Dann nämlich, wenn Ghadhafi schwere Waffen gegen die mit beschränkten Mitteln kämpfenden Aufständischen einsetzt.
Viele Fragen drängen sich auf. Sind die Kämpfer der Aufständischen gegen Ghadhafi als Zivilisten oder als Militärs einzustufen? - Was geschieht in den belagerten Städten Tripolitaniens, Misrata und Zawiya? Werden dort die Alliierten gegen Tanks durchgreifen aber nicht gegen leichtere Einheiten, die sich in der Stadt mörderisch zu betätigen suchen? - Ist die Verteidigung gegen diese leichter Bewaffneten, etwa Scharfschützen auf den Dächern, die Zivile aufs Korn nehmen, der lokalen Bevölkerung zu überlassen? - Muss auch berücksichtigt werden, dass Misrata, die dritte Stadt Libyens, seit drei Tagen kein Wasser mehr hat, weil, Ghadhafi sie abschneiden liess?
Ist auch die Bevölkerung von Tripolis vor Ghadhafi zu schützen? Obwohl, ja gerade weil sich die dortigen Zivilisten in den Händen Ghadhafis befinden? - Man weiss, dass dort die Schergen des Regimes von Haus zu Haus gehen und versuchen, der heimlichen Gegner Ghadhafis habhaft zu werden. Die Zahl dieser notgedrungen heimlichen Gegner dürfte in die Hunderttausende gehen, obwohl es auch Anhänger des Regimes in Tripolis gibt. Was mit den Gefangenen und verschleppten Personen geschieht, ist nicht bekannt, aber man kann es sich ausmalen.
Die zu erwartende Gegenstrategie des Regimes
Wo genau die Grenzen der Intervention zu liegen kommen, dürfte in der Praxis weitgehend vom Verhalten Ghadhafis und seiner Anhänger abhängen. Man muss zwischen Ghadhafis Propaganda und seiner zu gewärtigenden realen Strategie unterscheiden.
Die Propaganda spricht von einem bevorstehenden Krieg im Mittelmeer und von der Abwehr des westlichen Kreuzzuges. Sie geht darauf aus, möglichst viele Libyer auf die Seite Ghadhafis zu ziehen, sie zu mobilsieren oder sie zumindest auf seiner Seite zu halten.
Anderseits besteht die sich abzeichnende Strategie aus einem Rückzug aus der Cyrenaika Richtung Syrte. Dort lebt eine Bevölkerung, die Ghaddafi zugeneigt ist. Sicher wird Ghadhafi auch versuchen, seine Positionen in Tripolis zu halten.
Schläge aus der Luft werden schwerlich genügen, um die Anhänger des Regimes in der Sirte zur Unterwerfung zu zwingen. Auch in Tripolis wird die Hochburg Ghadhafis in der Aziziya-Kaserne nicht zu erschüttern sein. Es sei denn, die dort stehenden Truppen entschliessen sich, sich ganz oder teilweise von Ghadhafi abzuwenden. Wie sich die Bewohner der Hauptstadt gegenüber dem Tyrannen verhalten werden, ist unsicher.
Hoffnung auf anti-koloniale Reflexe
Zunächst kann Ghadhafi daher auf relativ sicherere Rückzugspositionen zählen. Dort hofft er, durchhalten zu können, auch wenn er Luftschlägen ausgesetzt sein wird. Er glaubt höchstwahrscheinlich seiner eigenen Propaganda soweit, dass er darauf hofft, weitere Kreise von Libyern für sich zu gewinnen und zu mobilisieren, indem er sie zur Erhebung gegen "den Kreuzzug" auffordert. Dies wird wahrscheinlich eine Fehlrechnung werden. Die meisten Libyer wissen, wer ihr wirklicher Feind ist, nämlich Ghadhafi.
Doch in der Syrte wird sich Ghadhafi vorläufig mit Sicherheit halten können, in Tripolis möglicherweise auch. Zumindest solange, bis es nicht zu neuen Meutereien und Frontwechseln seiner Truppen kommt. Es ist daher zu erwarten, dass er sich dorthin zurückziehen und versuchen wird, von dort aus einen Gegenangriff gegen die "Fremdinvasion" Libyens zu starten.