Unterdessen kann man sich fragen, ob die Erfindung des iPhones und dutzender Smartphone-Derivate ein Segen war. Aber dieser Zweifel gilt auch für die Atomkraft, die Atombombe und die Atomkraftwerke. Und überhaupt für das, was Kafka in den Forschungen eines Hundes nur als ein Fortschreiten weg von sich selbst erkannte, nämlich den Fortschritt.
Süchtig und blind stürcheln Kinder und solche, die es geblieben sind, durch die virtuelle Welt, starren auf den Bildschirm, sitzen den dicksten und unverschämtesten Lügen auf, bibbern dem ständigen Gezappel nach (in Filmchen, Spielchen, Livestreams usf.), verlieren dabei die tatsächliche Welt. Von Facebook, dieser grandiosen Infantilisierungsmaschine, ganz zu schweigen. Aber man kann auch telefonieren mit dem iPhone, tatsächlich. Und auf einfache Weise schreiben, recherchieren, kommunizieren, rechnen, fotografieren und filmen etc. etc. Was vor 10 Jahren eine grossartige Erfindung war, zeigt in diesen nun sichtbar gewordenen verheerenden Spätfolgen einmal mehr, dass der Mensch unfähig ist, die Konsequenzen seines Handelns abzuschätzen. Wir wissen ja nicht einmal, was wir nicht wissen.
Von der Schönheit des iPhones und seinen Kritikern
Aber genug des Pessimismus. Es gilt eine geniale und im wahrsten Sinne des Wortes schöne Erfindung zu würdigen. Das ist seltsamerweise nicht selbstverständlich. Landauf und landab nörgeln die Digitaljournalisten am iPhone herum und werden nicht müde, darauf hinzuweisen, dass es mitnichten Steve Jobs war, der es erfunden habe, sondern alles schon in früheren Geräten vorhanden oder sonst greifbar auf dem Markt zu finden war.
Der Digital-Redaktor des Schweizer Fernsehens entblödet sich nicht zu erwähnen, dass etwa der Touchscreen nicht von Apple erfunden wurde, sondern dass das Unternehmen eine Firma kaufte, welche ihn entwickelt hatte. Da hat er wohl überlesen, was Walter Isaacson in seiner brillanten Biografie über Steve Jobs im Zusammenhang mit der Erfindung eines anderen genialen Gerätes, des iPod, berichtet: dass nämlich Steve Jobs auf der Suche nach einem winzigen Massenspeicher in Sonys Labor fündig wurde und sofort eine Million Dollar auf den Tisch blätterte, um sich diesen für den iPod zu sichern. Darin erkennt man, was den Erfinder vom Tüftler unterscheidet, dass ersterer nämlich weiss, was er braucht, um seine Vision zu verwirklichen. Und dabei erst noch ein begnadeter Unternehmer ist. Auch Ricola ist weltweit berühmt geworden mit seinen einmaligen Hustenbonbons, obschon es Lakritzen und Bibernellen seit dem späten Mesozoikum gibt.
Vom benutzerfreundlichen Code …
Vergessen wird offenbar aus lauter Besserwisserei, dass es tatsächlich geniale Menschen gibt. Die Analytiker finden immer ein Haar in der Suppe, wenn eine solche Ausnahmeerscheinung etwas Grosses schafft. Es ist wohl pure Selbstprofilierung oder bei den Konkurrenten Missgunst. Sie begreifen schlicht nicht, was Synthese ist. Steve Job war fähig zur Synthese, das machte ihn einmalig, auch wenn er alles andere als ein angenehmer Mensch war (ebenfalls bei Isaacson im Detail nachzulesen). Vergessen wird von den Hardwarefreaks auch, dass es vor allem die Software iOS war, die dieses Gerät derart erfolgreich machte, entwickelt von NEXT, einer Firma, die Steve Jobs nach seinem Rauswurf bei Apple gründete und bei seiner Rückkehr für gutes Geld an Apple weiter verkaufte. Wenn nicht der Dark Vader Eric Schmidt als späteres Vorstandsmitglied von Apple den Code des iPhones Google zugespielt hätte, werkelte Android wohl noch heute hinter dem Mond.
… und der Schönheit des Designs
Die Schönheit des iPhones war aber nicht nur im Bereich der Software stilbildend. Alle Smartphones versuchen heute dem Design des iPhones nachzueifern. Unter den Designern sticht an erster Stelle Jony Ive hervor, der in der besten Tradition der europäischen (und auch schweizerischen) Gestaltung verwurzelt ist. Steve Jobs schwärmte schon seit seiner Jugend von den gestylten Geräten der Firma Braun und der damaligen Gerätekultur von Sony. Kein Wunder, dass er sich auch hier auf Bestehendes abstützte und mit Jony Ive jemanden holte, der seinen Vorstellungen und Ansprüchen genügen konnte. Nein, Erfindungen wie iPod, iPhone oder iPad bringt man nicht alleine zustande. Auch nicht voraussetzungslos. Aber wehe, wenn der Gestalter des Ganzen fehlt. Davon kann man sich einen Begriff machen, wenn man sich all die verknorzten Geräte und Websites mit miserabler Benutzerführung vor Augen hält wie Schaltuhren, Navigationsgeräte, Fitnesstrainer … oder buch.ch, post.ch, spiegel.de etc. etc. Auch Apple ist davor leider nicht gefeit, wie man an ihrem ständigen Herumdoktern an der iTunes-Software beobachten kann.
Es ging hier nicht darum, Werbung für Apple zu machen. Es ging darum, daran zu erinnern, dass es aussergewöhnliche Menschen gibt. Und dass auch diese nicht einmal im Traum ahnen können, was sie mit ihren genialen Ideen in der Welt anrichten. Auch bei allerbesten Absichten!