Es geschah am Rande eines aussergewöhnlichen Fussballspiels. Der frühere Ministerpräsident Matteo Renzi, der seine sozialdemokratische Partei im Streit verliess, umarmt Elly Schlein, die Parteivorsitzende der Sozialdemokraten. Bahnt sich da etwas an?
Italienische Politiker von links bis rechts versammelten sich am Dienstag auf einem Fussballfeld in L’Aquila in den Abruzzen und zogen sich ein Fussballleibchen über. Elly Schlein trug die Nummer 7, Matteo Renzi die Nummer 6.
Dabei ist auch Giuseppe Conte, der Parteichef der «Cinque Stelle», sowie zahlreiche Minister, Senatoren und Abgeordnete der verschiedensten Parteien, Frauen und Männer. Während sie sich im Parlament in Rom oft auf das Übelste beschimpfen, herrschte hier auf dem Fussballplatz eine lockere Stimmung. Man schäkerte miteinander, klopfte sich auf die Schultern, küsste sich manchmal sogar. Gecoacht wurde die Mannschaft von Ignazio La Russa, dem Senatspräsidenten (Fratelli d’Italia).
Das Spiel der Politiker und Politikerinnen gegen eine Mannschaft von Sängerinnen und Sängern (Nazionale Cantanti) war ein Benefizspiel und nennt sich «Partita del Cuore» (Spiel des Herzens). Das Geld, das da gesammelt wurde, kommt Kinderspitälern zugute. Auf den Rängen im Stadion Gran Sasso d’Italia sassen 6000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Die Politiker und Politikerinnen gewannen das Spiel im Penaltyschiessen. Die Partie wird heute Mittwochabend auf dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Rai1 zur besten Sendezeit (um 21.35 Uhr) ausgestrahlt.
Die Partita del Cuore war jetzt zum 33. Mal ausgetragen worden. Die vom Erdbeben von 2009 noch immer schwer gezeichnete Gastgeberstadt L’Aquila ist die italienische Kulturhauptstadt 2026.
Und dann wurde es doch politisch. Während des Penaltyschiessens legte Matteo Renzi, der abgehalfterte Ministerpräsident und frühere Parteichef der Sozialdemokraten, plötzlich den Arm um Elly Schlein, die seit bald anderthalb Jahren den sozialdemokratischen «Partito Democratico» (PD) anführt.
Zerstitten, wie so oft
Renzi war einst ein Shootingstar bei den Sozialdemokraten. Bei den Europawahlen 2014 erreichte er über 40 Prozent der Stimmen, weit mehr als diesmal Giorgia Meloni. Renzi hatte während seiner Amtszeit viel erreicht und angestossen. Doch dann begann er, sich zu überschätzen. Eine von ihm angeregte Verfassungsreform wurde in einer Volksabstimmung mit fast 60 Prozent bachab geschickt. Renzi trat 2016 als Ministerpräsident zurück, und dann 2018 – nach einem deftigen Streit mit den Sozialdemokraten – auch als Parteichef.
Kurz darauf spaltete er den Partito Democratico und gründete eine eigene Partei mit ihm als Parteichef: «Italia Viva». Er hoffte, einen grossen Teil der Mitglieder der Sozialdemokraten auf seine Seite ziehen zu können. Doch das gelang nicht. Italia Viva dümpelt zwischen 2 und 4 Prozent dahin. Zu allem Übel gründete auch ein anderer ehemaliger Sozialdemokrat, Carlo Calenda, eine eigene Partei: «Azione». Die Linke zeigte sich wieder einmal, wie sie sich so oft zeigt: zerstritten.
Während langer Zeit hörte Renzi nicht auf, die neue sozialdemokratische Parteichefin anzugreifen, zum Teil mit nicht-zitierbaren Ausdrücken.
Heimkehr des verlorenen Schafs?
Und jetzt plötzlich findet er nur süsse Worte für sie und legt den Arm um sie. Natürlich wird jetzt in Rom spekuliert, ob das verlorene Schaf in die sozialdemokratische Herde zurückkehren will. Die Sozialdemokraten erleben zur Zeit einen sachten Aufwind. Bei den Europawahlen gewannen sie im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen rund 5 Prozent Stimmen dazu. Renzi hingegen kommt kaum vom Fleck. Würden sich die beiden wieder vereinen, käme der Partito Democratico auf gut 25 Prozent der Stimmen – nur 3 bis 4 Prozent weniger als Melonis Fratelli d’Italia. (Und wäre auch noch Calendas Azione dabei, wären es weniger als 1 Prozent.)
Doch so weit ist es noch lange nicht. Das Problem ist das Ego und die teilweise Selbstüberschätzung des Matteo Renzi. In sozialdemokratischen Kreisen in Rom zweifelt man, ob er sich Parteichefin Elly Schlein unterordnen kann. Doch, so hoffen einige, vielleicht findet Elly Schlein einen «noch zu schaffenden, prestigereichen, aber wenig einflussreichen Posten» für den ehemaligen Ministerpräsidenten. Und Renzi kommt vielleicht doch einmal zur Einsicht, dass seine Italia-Viva-Partei kaum lebensfähig ist, und er auf dem Abstellgleis steht.